Arbeitsblätter zum Herunterladen

21.4.13

Theodor Storm: "Immensee". Teil 4

"Daheim"


Zu Ostern reiste Reinhard in seine Heimatstadt. Er begab sich zu Elisabeth. Beide bemerkten, dass sie sich verändert haben. Beide fühlten, dass sie jetzt einander fremd sind. Etwas Fremdes entstand zwischen ihnen. Sie hatten keine gemeinsamen Gesprächsthemen und wussten nicht, worüber sie sich unterhalten sollten. Das Mädchen schein Reinhards Gesellschaft zu vermeiden. Um die Zeit totzuschlagen, begann er, Elisabeth Botanik beizubringen. An der Universität war die Botanik seine Nebenbeschäftigung. 

Eines Tages, als Reinhard Elisabeth abzuholen beabsichtigte, bemerkte er in ihrem Zimmer einen Kanarienvogel. Im vergoldeten Käfig hat früher der Hänfling gelebt – das Geschenk von Reinhard. Es stellte sich heraus, dass Elisabeth den Kanarienvogel von Erich bekommen hatte. Erich verfügte seit einem Monat über einen Hof seines Vaters am Immensee. Elisabeths Mutter lobt Erich und bezeichnete ihn als einen „lieben, verständigen jungen Mann“. In den Augen von Elisabeth bemerkte Reinhard Kummer, etwas, was vorher im krassen Widerspruch zu ihrem Wesen stand. Reinhard war traurig und teilte Elisabeth mit, dass er den Kanarienvogel nicht leiden könne. Das Mädchen erwiderte, dass er „sonderbar“ sei. 

Nach dem Kaffeetrinken beschäftigten sich die beiden mit dem Ordnen von Blumen. Reinhard zeigte Elisabeth ein kleines Buch, in dem sich Verse befanden:  »Als sie vom Schulmeister gescholten war.« »Als sie sich im Walde verirrt hatten.« »Mit dem Ostermärchen.« »Als sie mir zum erstenmal geschrieben hatte«. Es waren Erinnerungen und Überschriften. Beim Lesen von diesen Versen wurde Elisabeth rot und schwieg. 

Endlich kam der Morgen, an dem Reinhard verreisen musste. Elisabeth begleitete ihn zum Postwagen. Er fühlte die ganze Zeit, dass er ihr etwas Wichtiges zu sagen habe, aber konnte keine Worte finden. Er dachte im Stillen darüber nach, wie er seine Gefühle zum Ausdruck bringen kann.  

Er fragte Elisabeth, ob sie auf ihn warten werde. Schließlich werden sie sich zwei Jahre lang nicht sehen. Sie erwiderte, dass sie ihn verteidigt habe, als ihre Mutter behauptete, dass er sich verändert habe und ein anderer Mensch sei. Reinhard versicherte Elisabeth, dass er der gleiche Mensch wie früher sei. Er versprach ihr, dass er ihr in zwei Jahren ein Geheimnis verraten werde. 

Der Kanarienvogel ist ein Symbol für gravierende Veränderungen, für die Kluft zwischen Reinhard und Elisabeth. Sie leben in anderen Welten und repräsentieren eine andere Denkweise. Die Stelle von Reinhard hatte Erich übernommen. An Elisabeths Seite ist jetzt Erich, ein anderer Mann ist im Spiel. Die Kluft zwischen Reinhard und Elisabeth ist deutlich zu sehen, aber er will es nicht wahrhaben. Es wäre verfehlt zu meinen, dass die Entfernung keinen Einfluss auf die junge Liebe habe. Eines ist deutlich ablesbar: das Leben in anderen Welten macht sich durch den Mangel an gemeinsamen Themen und Beschäftigungen bemerkbar.