Wolfgang Borchert wurde als einziger Sohn des Volksschullehrers Fritz und der Schriftstellerin Hertha Borchert 1921 in Hamburg geboren. Er ist in gesicherten bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Borchert übernahm die Glaubenslosigkeit seines Vaters. Er war ein mittelmäβiger Schüler, verlieβ die Schule ohne Abiturabschluss. Seine Eltern haben ihn dazu überzeugt, sich als Buchhändler ausbilden zu lassen. Die Kindheit und die Jugend waren das Paradies, an das sich der gefangene und später todkranke Schriftsteller erinnerte.
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Wegen Kritik am Nationalsozialismus wurde er verurteilt und inhaftiert. Er lernte den Krieg an der Front kennen. Im Krieg zog er sich Erkrankungen und eine Leberschädigung zu.
Der lebenshungrige Schriftsteller rafft sich auf, um aus seinem schwebenden Zustand herauszukommen. Vergeblich, weil es keine Wunderwaffe gegen die Krankheit gibt. Er hatte keine Möglichkeit, das Leben in vollen Zügen zu genieβen. Das Schreiben war für ihn die einzige mögliche Aktivität. Sein Eifer beim Schreiben war enorm. Borchert betrachtete es als eine Übergangslösung, er wollte bis zum Gesundwerden überhaupt etwas tun. Er stand schlieβlich im Zenit seines Lebens und dachte nichts ans Ende. Er gab sich alle erdenkliche Mühe, aktiv zu sein. Von den Zuständen mangelnder Motivation zum Schreiben war bei ihm nichts zu spüren. Bei dem Gedanken, nichts zu tun, packte ihn Widerwille. Obwohl das Leben ihn in diese schwierige Lage verwickelte, wollte er sich seinem hoffnungslosen Zustand nicht einfügen.
Wolfgang Borchert starb am 20. November 1947.
Sein ganzes Lebenswerk wurde vom Rowohlt Taschenbuch Verlag (natürlich mehrmals) in einem Band herausgegeben.
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Wenn ich Borchert lese, muss ich immer an Georg Büchner denken.
Borcherts bekanntestes Werk ist das Heimkehrerdrama "Draußen vor der Tür".
Es ist eine Geschichte eines jungen Mannes, der nach dem beendeten Krieg nach Hause kommt (oder aber nach Hause kommen will). Es gibt aber kein Zuhause für ihn. Auch seine Zeitgenossen trafen auf die gleiche Gleichgütigkeit. Der Nordwestdeutsche Rundfunk hat das Stück als Hörspiel am 13. Februar 1947 gesendet. Es hatte eine enorme Resonanz. Borchert erhielt unzählige Briefe. Die Leser und Zuhörer eines Hörspiels haben Borchert in ihren Briefen gedankt – weil er der erste Schriftsteller in der unmittelbaren Nachkriegszeit war, der die Gesellschaft auf diese Problematik aufmerksam machte. Nach der erwähnten Sendung wurde der noch nicht 26-jährige Borchert zum gefragten und umworbenen Autor. Er hat einen neuen Ton angeschlagen und deutlich das Gefühl seiner Generation zum Ausdruck gebracht. Er war der erste, der die Fragen existentiell und radikal stellte, während viele die Nazizeit verdrängen und verschweigen wollten. Er sprach das Publikum direkt an.
Der Protagonist – Beckmann - ist ein Eindringling. Es ist ein Mann ohne Gesicht und ohne Identität. Er steht repräsentativ für seine Generation. Er hat Einordnungsschwierigkeiten und muss scheitern. In die bürgerliche Alltagswelt kann er nicht mehr zurückkommen. Seine Heimkehr ist verdorben. Niemand bemerkt seine Existenznot. Grausame Träume quälen ihn.
Die Tür symbolisiert im Stück die Hoffnung und die Hoffnungslosigkeit, die Geborgenheit und das Ausgeschlossensein.
Ausgewählte Fragmente des Stücks:
Ein Mann [Beckmann] kommt nach Deutschland. Er war lange weg, der Mann. Sehr lange. Vielleicht zu lange. Und er kommt ganz anders wieder, als er wegging. Äußerlich ist er ein naher Verwandter jener Gebilde, die auf den Feldern stehen, um die Vögel (und abends manchmal auch die Menschen) zu erschrecken. Innerlich – auch.
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GOTT: Sie erschießen sich. Sie hängen sich auf. Sie ersaufen sich. Sie ermorden sich, heute hundert, morgen hunderttausend. Und ich, ich kann es nicht ändern.
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GOTT: Du bist der neue Gott, Tod, aber du bist fett geworden.
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TOD: Na ja, ich hab in diesem Jahrhundert ein bißchen Fett angesetzt. Das Geschäft ging gut. Ein Krieg gibt dem andern die Hand. Wie die Fliegen! Wie die Fliegen kleben die Toten an den Wänden dieses Jahrhunderts.
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BECKMANN: Ich war nämlich drei Jahre lang weg. In Rußland. Und gestern kam ich wieder nach Hause. Das war das Unglück. Drei Jahre sind viel, weißt du. Beckmann – sagte meine Frau zu mir. Einfach Beckmann. Und dabei war man drei Jahre weg. Beckmann sagte sie, wie man zu einem Tisch Tisch sagt. Möbelstück weg. Stell es weg.
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MÄDCHEN [zu Beckmann]: Du siehst so wunderbar traurig aus, du armes graues Gespenst: in der weiten Jacke, mit dem Haar und dem steifen Bein.
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BECKMANN: Das habe ich gestern nacht auch den Mann gefragt, der bei meiner Frau war. In meinem Hemd war. In meinem Bett.
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OBERST [der ehemalige Vorgesetzte Beckmanns]: Lieber junger Freund, Sie stellen die ganze Sache doch wohl reichlich verzerrt dar. Wir sind doch Deutsche. Wir wollen doch lieber bei unserer guten deutschen Wahrheit bleiben.
(…)
Ich habe aber doch stark den Eindruck, daß Sie einer von denen sind, denen das bißchen Krieg die Begriffe und den Verstand verwirrt hat.
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BECKMANN: Und wo soll ich anfangen? Wo denn? Einmal muß man doch irgendwo eine Chance bekommen. Irgendwo muß man doch irgendwo eine Chance bekommen. Irgendwo muß doch ein Anfänger mal anfangen.
(…) Wo sollen wir denn anfangen? Wo denn? Wir wollen doch endlich einmal anfangen!
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BECKMANN: Mit der Wahrheit ist das wie mit einer stadtbekannten Hure. Jeder kennt sie, aber es ist peinlich, wenn man ihr auf der Straße begegnet.
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BECKMANN: Ich bin nur ein schlechter Witz, den der Krieg gemacht hat, ein Gespenst von gestern. Und weil ich nur Beckmann bin und nicht Mozart, deswegen sind alle Türen zu. Bums. Deswegen stehe ich draußen. (…) Und weil ich ein Anfänger bin, deswegen kann ich nirgendwo anfangen. (…) Die Straße stinkt nach Blut, weil man die Wahrheit massakriert hat, und alle Türen sind zu. Ich will nach Hause, aber alle Straße sind finster.
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BECKMANN: Das Leben ist so:
1. Akt: Grauer Himmel. Es wird einem wehgetan.
2. Akt: Grauer Himmel. Man tut wieder weh.
3. Akt: Es wird dunkel und es regnet.
4. Akt: Es ist noch dunkler. Man sieht eine Tür.
5. Akt: Es ist Nacht. Tiefe Nacht. Und die Tür ist zu. Man steht draußen. Draußen vor der Tür.
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