„Elisabeth”
Am nächsten Nachmittag
gingen Elisabeth und Reinhard spazieren. Auf die Bitte Erichs sollte sie ihm
die Umgebung zeigen. Reinhard erinnerte sich an die vergangenen Zeiten, als die
beiden nach Erdbeeren gesucht hatten. Er dachte mit Sehnsucht an die
Vergangenheit, empfand leidenschaftlichen Schmerz. Die Umgebung evozierte in
ihm Erinnerungen, z.B. eine Blume – Erika, die er fand, die er auch zwischen
den Blättern in einem alten Buch hat und die er von Elisabeth bekommen hatte.
Sie konnte sich daran noch erinnern. Daraufhin fragte Reinhard: hinter jenen blauen Bergen liegt unsere
Jugend. Wo ist sie
geblieben?
Die beiden sagten kein Wort, sondern wanderten weiter. Ein Gewitter zog auf,
sie begaben sich also mit dem Kahn nach Hause. Reinhard beobachtete Elisabeth
und verstand, dass sie das gleiche empfindet wie er: Er sah auf ihr jenen
feinen Zug geheimen Schmerzes, der sich so gern schönen Frauenhände bemächtigt,
die nachts auf krankem Herzen liegen.
Am Hof angekommen, begegneten sie einer Bettlerin. Elisabeth gab ihr den
Inhalt ihrer Geldbörse und ging weinend ins Haus. Die Bettlerin bewegte sich
nicht. Reinhard meinte, dass sie noch ein Almosen wolle, aber es war nicht der Fall.
Reinhard hörte nur die Worte eines alten Liedes:
Sterben, ach sterben
soll ich allein!
soll ich allein!
In seinem Zimmer begann Reinhard zu arbeiten, aber konnte sich nicht
konzentrieren. Er ging ins Familienzimmer, aber niemand war da. Dann fuhr er
mit dem Kahn am See und kam nach Hause zurück, als es schon dunkel geworden
war. Leise saß er in seinem Zimmer und hörte nur das Schlagen seines Herzens. Unter ihm im Hause ging alles zur Ruh,
die Nacht verrann er fühlte es nicht. – So saß er stundenlang. Endlich stand er
auf und legte sich ins offene Fenster. Der Nachttau rieselte zwischen den
Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu schlagen. Allmählich wurde auch das
tiefe Blau des Nachthimmels von Osten her durch einen blaßgelben
Schimmerverdrängt; ein frischer Wind erhob sich und streifte Reinhards heiße
Stirn; die erste Lerche stieg jauchzend in die Luft.
In dieser geruhsamen
Stimmung schrieb er einige Zeilen, nahm seinen Hut und seinen Stock und kam in
den Garten, wo er merkte, dass die Nacht schon vorbei war. Plötzlich näherte
sich ihm Elisabeth, die behauptete, dass er nie wieder zurückkomme. Er gestand
ihr, dass sie Recht habe. Sie sagte kein Wort mehr. Dann kehrte er sich
gewaltsam ab und ging zur Tür hinaus. – Draußen lag die Welt im frischen
Morgenlichte, die Tauperlen, die in den Spinngeweben hingen, blitzten in den
ersten Sonnenstrahlen. Er sah nicht rückwärts; er wanderte rasch hinaus; und
mehr und mehr versank hinter ihm das stille Gehöft, und vor ihm auf stieg die
große, weite Welt. – –
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