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11.7.15

Die Neuerungen des Germanischen. Teil 1

Die Neuerungen des Germanischen waren Veränderungen in der Sprache (Aussprache, Grammatik, Lexik) im Vergleich zur früheren Sprachstufe - Urindoeuropäisch:

1. die erste (germanische) Lautverschiebung - 12-15 Prozesse, die das Germanische von allen anderen Sprachen trennen (auf dieses Thema wird in einem der nächsten Beiträge eingegangen).

2. der Akzent. Im Indogermanischen war der Akzent frei beweglich. Es kommt auf die Festlegung des Akzents an - auf die Stammsilbe oder auf die erste Silbe (in der Sprache gab es kaum Präfixe oder Suffixe). Nominale (substantivische) Präfigierungen, Substantive mit Präfixen haben eine Initialbedeutung bekommen:

Úrlaub, erláuben
W´iderspruch, widerspréchen

Nominale Bindungen sind sehr alt - das erkennen wir an dem Akzent. Die Substantive waren schon da, als der Akzent festgelegt wurde.

Der germanische Akzentwandel --> der Akzent auf die Initialsilbe (meistens war es die Stammsilbe)

Die populärste Hypothese --> dass es sich um eine Substratwirkung handelte (der Einfluss einer Fremdsprache hat eine enorme Bedeutung). In einer Fremdsprache gab es auch eine Initialbetonung.

Die Folgen waren enorm:
a) der Akzent auf der ersten Silbe - alle anderen Silben wurden nicht betont und sie wurden schwächer, nicht so deutlich, nicht so lang. Die letzten Silben wurden abgeschwächt --> das reduzierte "e", z.B. ich spreche.

Die Endung von vielen Wörtern wr gleich, es entstanden Silben mit bestimmten Funktionen (Wortbildungsendungen, Flexionsendungen). Ein solcher Akzent führt zur Vereinfachung der Grammatik, der Flexion, weil die Endungen, die im Indogermanischen bestimmte Funktionen hatten, abgeschwächt werden. Mit der Zeit passen sie sich einander an, werden gleich ausgesprochen (Deklinations-, Infinitivendungen). Es ist ein Prozess, der sich bis heute hinzieht.

zu Hause
auf dem Lande
am Tische - veraltet

b) die Folgen für die Schriftung von damals: eine enorme Verbreitung der Alliteration (des Stabreims), z.B. "ek hlewagastir holtingar horna tawido". Heute erkennen wir dies in Zwillingsformen, z.B. Feuer und Flamme, Kind und Kegel, Mann und Maus.


Die Alliteration bedeutete ursprünglich den Anlaut - den ersten Laut, den gleichen Anlaut von Betonungssilben. Nach der Festlegung des Akzents wird die Akzentsilbe zur ersten Silbe des Wortes und der Stabreim bekommt eine neue Qualität. Es gab noch keinen Endreim. 

14.4.15

Germanische Stämme

Nächstes Mal bespreche ich Neuerungen des Germanischen, z.B. die erste Lautverschiebung und die Neuerungen im Wortschatz. Die Sprachgeschichte geht dann richtig los :) 

Drei Gruppen von germanischen Stämmen:

1) die  Nordgermanen - von Anfang an lebten sie in Skandinavien und auf Jütland, sie haben an der Völkerwanderung nicht teilgenommen

2) die Ostgermanen - kurz vor Christi Geburt kamen sie an die Weichsel:
·         die Burgunden, die Wandalen und die Goten bildeten eine selbständige Gruppe (die Oder-/Weichselgermanen)
·         die Ostgoten - begaben sich an das Schwarze Meer
·         die Westgoten - begaben sich auf den Balkan, dann nach Norditalien

3) die Westgermanen bildeten drei große Stammesgruppen:

·         die Elbgermanen (Herminonen):

a) die Semnonen (Alemannen und Sueben): die untere Elbe, 3. Jh. n. Chr. - von der unteren Elbe in den Südwesten, wo sie bis zum Ende des 5. Jahrhunderts das heutige Süestdeutschland besetzt haben (Baden, Schwaben). Die Alemannen sind um 500 vom Frankenkönig Chlodwig vertrieben worden. Die Sueben begaben sich in den Südwesten, dann nach Spanien.

b) die Hermunduren - von der mittleren Elbe in den Westen (das heutige Thüringen).

c) die Langobarden - von der mittleren Elbe über Ungarn nach Oberitalie, wo sie bis zum 10. Jahrhundert ihren germanischen Dialekt verloren haben (zugunsten der romanischen Sprachen).

d) die Markomannen - bis zum 6. Jh. sind sie ins südliche Bayern gegangen, später haben sie Österreich besiedelt.

e) die Quaden - begaben sich nach Oberungarn.

·         die Weser-/Rheingermanen (Istväonen):
a) die Franken (Ost- und Westfranken)
b) die Hessen

·         die Nordseegermanen (Ingväonen):

a) die Angeln und die Sachsen - lebten auf Jütland, an der Nordseeküste bis zur belgischen Grenze (Nordwestdeutschland, die Niederlande). Im 5. Jh. sind sie auf die Insel Britannien ausgewandert (die Sachsen nur zum Teil). Zuerst lebten sie in Südengland. Von den Sachsen leiten sich die Namen in England, z.B. die Grafschaften Wessex, Essex, Sussex.

b) die Jüten

c) die Friesen


22.2.15

Urindoeuropäer, Indoeuropäer und Germanen

Die Urindoeuropäer waren ein Volk mit unterschiedlichen Stämmen. Sie lebten in den letzten Jahrtausenden v. Chr. an der Oder, an der Elbe bis zu Weser (heute Norddeutschland). Sie kannten Schaf, Ziege, Rind, Hund, Schwein, kannten keine Katze, kein Maultier, kein Esel. Sie beschäftigten sich mit Viehzucht und Ackerbau.

Noch einige Informationen über die Urindoeuropäer:
  • ·         das Hauptgetreide war die Gerste
  • ·         die Häuser aus Holz
  • ·         sie kannten nur Kupfer
  • ·         patriarchalische Großfamilie
  • ·         Wergeld - eine Strafe, die man bezahlen musste, wenn man einen Mann umgebracht hat
  • ·         Anfänge eines geregelten Rechtssystems
  • ·         polytheistische Religion
  • ·         die Toten wurden begraben, der Ahnenkult war entwickelt
  • ·         die Zahlwörter - bis 100 (Dezimalsystem - Zehnesystem)
  • elf, zwölf - der Auslaut kommt von lîf

Man rechnete dezimal, aber der Bezug auf Dutzend wurde auch genommen.

Im dritten Jahrtausend v. Chr. begann dieses Volk allmählich in Volksgruppen zu zerfallen. In Bezug auf die Sprache gibt es drei Theorien, die Ende des 19. Jahrhunderts konzipiert wurden:

1) die Stammbaumtheorie von August Schleicher, der das Urindogermanische mit einem Baum vergleicht - ein Stamm, aus dem neue Äste herauswachsen. Eine deutliche Trennung zwischen den einzelnen Sprachen wird angenommen. Das Modell setzt intensive Wanderungen der Völker voraus - keine oder wenig Kontakte zueinander, eine räumliche Trennung, eine individuelle Entwicklung der einzelnen Tochtersprachen ohne gegenseitige Einflüsse.

2) die Wellentheorie von Johannes Schmidt. Er vergleicht die Entstehung und Entwicklung der Sprachen mit konzentrischen Wellen im Wasser (wenn man einen Stein ins Wasser wirft, sind die Wellen zuerst stark, dann immer schwächer). Es gibt allmähliche Übergangszonen, es lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen. Zwischen den Sprachen gibt es immer Kontakte.

3) die Substrattheorie von Hermann Hirt. Die Indoeuropäer haben andere Völker besiegt, unterworfen. Die Sprache ist ein Produkt der Mischung der ursprünglichen indoeuropäischen Sprache und der Sprache des unterworfenen Volkes.

Ungefähr von 500 v. Chr. bis 500 n. Chr. wurde Germanisch gesprochen.

Die ältesten Quellen über die Germanen:

1) Gaius Julius Caesar (100-44 v.Chr.): Chronik des galischen Kriegs "Commentarii de bello gallico" - er berichtet über seine Erfahrungen mit germanischen Stämmen
2) Tacitus (55-): "De origine, moribus ac situ germanorum libellus" -"Von der Herkunft, dem Sterben und dem Zustand der Germanen"
3) Plinius der Ältere

Die Germanen haben wahrscheinlich nicht geschrieben. Es gibt keine Quellen, nur Aufschriften, magische Formeln sind erhalten.

Der Helm von Negan ist ein Gegenstand mit einer germanischen Inschrift (6. Jh. u.Z.).
Das goldene Horn von Gallehus, Jütland (um 420) trägt die folgende Inschrift:

EK HLEWAGASTIR HOLTINGAR HORNA TAWIDO

(ich) (Lebegast habe) (der Sohn von Hold) (Horn) (gemacht)

Im Runenalphabet hatte jedes Zeichen eine magische Bedeutung, entsprach einem Gott.
"Runne" bedeutete ursprünglich "Geheimnis".
raunen - flüstern

Die sechs ersten Zeichen: F u th a r k

Es gab zwei Alphabete: ein älteres mit 24 Zeichen und ein jüngeres mit 16 Zeichen.
Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Runen vor allem in Skandinavien gebraucht.

Wulfila (Ulfila) war ein christlicher Bischof (311-382), aus dem Stamm der Westgoten - um die Mitte des 4. Jahrhunderts waren sie an der unteren Donau, im heutigen Bulgarien (damals war es eine römische Provinz). Wulfila hat die Bibel aus dem Griechischen uns Lateinischen ins Westgotische übersetzt ("Codes argentus"). Ein Sprachzeugnis wurde in einem germanischen Dialekt verfasst. Die Bibel wurde zu Beginn des 6. Jahrhunderts in Oberitalien gefunden, heute befindet sie sich in der Universitätsbibliothek in Uppsala. Wulfila hat sein eigenes Alphabet geschaffen (die Unziale aus dem Griechischen, manchmal Runenzeichen und lateinische Buchstaben).


Um 2000 v.Chr., als die Indoeuropäer sich getrennt hatten, lebten die Germanen im heutigen Dänemark, Südschweden, Südnorwegen, in den Gebieten an der Odermündung und an der Elbmündung. Zwischen 1200-800 v.Chr. haben die Germanen die Gebiete bis an die Weichselmündung besetzt (das heutige Nord-West-Polen), im 6. Jahrhundert v.Chr. die Gebiete an der mittleren Elbe (heute Sachsen), im 4.-2. Jh. begaben sie sich weiter in den Osten und Südosten, Richtung Schwarzes Meer. Die Burgunden und die Wandalen kamen aus Skandinavien an die Weichsel (1. Jh. v.Chr.), um das Jahr 0 kamen die Goten an die untere Weichsel, auch aus Skandinavien. 

1.1.15

"Merkur legt Ihnen Steine in den Weg" - Phraseologismen in Horoskopen

            Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Präsenz von Phraseologismen in den Horoskopen darzustellen und ihre Rolle zu besprechen. Die linguistische Seite von Horoskopen gehört zu meinen wissenschaftlichen Interessen. Seit drei Jahren analysiere ich Horoskope und habe festgestellt, dass sie sich durch eine hohe Frequenz von Phraseologismen auszeichnen.

            An dieser Stelle wirft sich die Frage auf, was unter dem Begriff  „Horoskop“ verstanden wird. Was erwarten die LeserInnen von einem Horoskop? Im DUDEN[1] wird es als Voraussage über kommende Ereignisse aufgrund von Sternkonstellationen definiert. Horoskope haben einen informativ-unterhaltenden Charakter und ihre sprachlich-stilistischen Mittel hängen vom Zeitschriftentyp ab[2].

            Der Analyse liegen die Horoskoptexte vor, die regelmäβig in der Frauenzeitschrift    „7 Tage“ erscheinen und sich auf einen einwöchentlichen Zeitraum beziehen. Das zu untersuchende Korpus besteht aus Horoskopen in 24 Heften von 41/2008 bis 12/2009. Diese Zeitschrift wurde gewählt, weil sie eine der populärsten Frauenzeitschriften auf dem deutschen Pressemarkt ist und sich an eine breite Leserinnenschicht wendet. Die zu lesenden Horoskope sind kurz, haben eine leserfreundliche Form, beziehen sich sowohl auf das private, als auch auf das berufliche Leben, so dass jede Leserin angesprochen wird. In einer kurzen Form sind zahlreiche Ratschläge und Hinweise enthalten – wir haben es mit einem Verhaltensangebot zu tun, welches keine komplizierten Lösungen vorschlägt.

            Die Frequenz von Phraseologismen ist auffällig -  verbale, substantivische, adjektivische und adverbiale Phraseologismen treten in jedem Horoskop auf. Meine Aufmerksamkeit widme ich verbalen Phraseologismen, weil sie am häufigsten vorkommen. Die somatischen Phraseologismen bilden die umfangreichste Gruppe: aus dem Bauch heraus entscheiden, etw. aus den Augen verlieren, etw. übers Knie brechen, auf offene Ohren stoβen, für etw. ein gutes Händchen haben, etw. vor Augen behalten, sich die Zähne ausbeiβen. Wie erwartbar, beschreiben sie unterschiedliche Situationen.  Um eine thematische Klassifizierung von Phraseologismen tentativ, kontext- und situationsgebunden darzustellen, wurden einige Gruppen unterschieden: eine positive Entwicklung (die Oberhand gewinnen, jdn. in die richtige Richtung schieben, jdn. auf den richtigen Kurs bringen, ins Lot kommen), Glück/Erfolg (auf Wolke 7 schweben, auf der Sonnenseite sein, etw. in vollen Zügen genieβen, Bäume ausreiβen können), Warnung (etw. aus den Augen verlieren, sich in Grenzen halten, sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, jdm. Steine in den Weg legen), eine realistische Beurteilung einer Situation (auf dem Boden der Tatsachen bleiben, auf dem Teppich bleiben, etw. vor Augen behalten). Die Expressivität der Phraseologismen und ihre Bildlichkeit kommen in Mini-Szenarien zum Ausdruck, die zusätzlich um zahlreiche Metaphern, Kollokationen und bestimmte, überaus häufig auftretende lexikalische Einheiten (z.B. Erfolg, Liebe, Partner, Beziehung, Harmonie, Entspannung, Gefühle) ergänzt werden.

            Abgesehen von teil- oder vollidiomatisierten Phraseologismen, die die Kriterien der Polylexikalität, Festigkeit und Idiomatizität[3] weitgehend erfüllen,  unterscheiden die Linguisten ebenfalls Phraseologismen im weiteren Sinne (die sog. topischen Formeln), d.h. Sprichwörter, Antisprichwörter, Sagwörter, Lehnsprichwörter, geflügelte Worte, Gemeinplätze sowie spezielle Klassen von Phraseologismen, ergo Modellbildungen, Zwillingsformen, Kinegramme[4]. Um die volle Charakteristik von Horoskopen zu erfassen, sollte man die erwähnten Klassen von Phraseologismen einbeziehen. Kennzeichnend für die Horoskope sind Sprichwörter (z.B. in der Ruhe liegt die Kraft, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig kann man nicht tanzen, jeder ist seines Glückes Schmied, der Schein trügt, es ist nicht alles Gold, was glänzt), Modellbildungen (Glas um Glas, von Tag zu Tag) und Zwillingsformeln (klipp und klar, fix und fertig).

            Zusammenfassend darf man wohl sagen, dass Horoskope ein geeignetes Untersuchungsmaterial für die an Phraseologismen interessierten Sprachwissenschaftler bilden, zumal sie Phraseologismen textsortenspezifisch, adressaten- und situationsangemessen vermitteln. Expressivität, Bildlichkeit,  Offenheit, Wortspiele und eine leserfreundliche Form sind wesentliche Merkmale von diesen kohärenten Texten, die sich auch im Deutschunterricht als äuβerst nützlich erweisen können.



[1] Kunkel-Razum, Kathrin / Scholze-Stubenrecht, Werner [u.a.] (Hrsg.) (2007): Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag, 850.
[2] vgl. Köster, Lutz: Phraseologismen in populären Kleintexten und ihr Einsatz im DaF-Unterricht. In: Lorenz-Bourjot, Martine / Lüger, Heinz-Helmut (Hrsg.) (2001): Phraseologie und Phraseodidaktik. Wien: Ed Praesens, 137.
[3] vgl. Burger, H. (2007): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Schmidt, 15-32.
[4] vgl. ebd., 39-50.