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2.10.11

Die alltägliche Wissenschaftssprache

1. Was ist alltägliche Wissenschaftssprache? Ist die deutsche Wissenschaftssprache ein Relikt?

Laut der deutschsprachigen Presse ist die deutsche Wissenschaftssprache ein Relikt und wird zunehmend durch die gegenwärtig aktuelle (also englische) Wissenschaftssprache ersetzt. Hubert Markl, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, hat festgestellt, dass die deutschen WissenschaftlerInnen in Zukunft zwei Muttersprachen haben müssten. Auch die Einführung englischsprachiger Studiengänge an deutschen Universitäten hat dazu beigetragen. Das Deutsche kann seine Qualität als Wissenschaftssprache verlieren und ist kein Konkurrent für die englische Wissenschaftssprache.

Das zeugt davon, dass die deutsche Wissenschaftssprache in eine Krise geraten ist.

Die Entwicklung der deutschen Wissenschaftssprache hat vor allem in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten stattgefunden. An der Herstellung dieser Sprache haben Professoren wie Hegel, Savigny oder Dichter wie Schiller, Arndt gearbeitet.

Schiller hat in seinen Abhandlungen historischer Themen eine entwickelte alltägliche Sprache verwendet. Hegel hat in seiner Sprache für die Zwecke der Philosophie die alltägliche Sprache zur Grundlage genommen.

Die Linguistik hat Stellenwert und Funktionalität der alltäglichen Wissenschaftssprache kaum untersucht.

Typisch wissenschaftliche Ausdrücke sind von groβer Bedeutung à sie eignen sich, typische Strukturierungsprobleme beim Schreiben zu bewältigen und dienen als Signale von Wissenschaftlichkeit, wodurch sie die Produktion des Textes entlasten. Im Hinblick auf solche Ausdrücke spricht man von der alltäglichen Wissenschaftssprache. EHLICH: sie umfasst „die fundamentalen sprachlichen Mittel […], derer sich die meisten Wissenschaften gleich oder ähnlich bedienen“ (1993) und ist „zwischen den Fachtermini“ (1999) zu verordnen.

2. Die Eigenschaften der alltäglichen Wissenschaftssprache:

- wissenschaftssprachliche Internationalismen sind einschlägig – relativ leicht zugänglich, relativ leicht zu erschlieβen
- keine Distanz zur alltäglichen Sprache – Wörter, die sowohl in spezifischen Kontexten, als auch in ganz alltäglichen Verwendungen vorkommen, gehören zugleich der alltäglichen Sprache an
- die Umformung von alltäglichen Kommunikationsmitteln für die speziellen Zwecke der Wissenschaft
- der Ressourcencharakter
- der Anteil des fachspezifischen Wortschatzes in Texten liegt nicht über 25-30 %
- formelhafte Wendungen, die gerade für wissenschaftliche Texte typisch sind, ohne fachspezifisch zu sein
- formelhafte Wendungen gelten für jedes Fach
- viele Kollokationen, Syntagmen, Phraseologismen, typische Satzeinleitungen
- eine ganze Reihe von „klassischen“ Ausdrücken kommen aus der Philosophiegeschichte
- die groβe Häufigkeit metaphernhaltiger Wendungen.

3. Ordinary language philosophy

Das Konzept einer alltäglichen Sprache kommt aus der Sprachphilosophie. Die Philosophie hat „ordinary language“ entdeckt. Sie wurde zu Spezialisierungen vorangetrieben. Stattdessen hat sie sich mit der gewöhnlichen Sprache, mit der Sprache der „ordinary people“ beschäftigt. Unser wissenschaftliches Arbeiten ist an die alltägliche Sprache gebunden, die ein unumgängliches Verständigungsmittel ist.

4. Die Zugänglichkeit der alltäglichen Wissenschaftssprache für die Muttersprachler


Eine groβe Durchlässigkeit – Ressourcen der Alltagssprache werden in einen neuen Modus ihrer Existenz, in eine neue Form gebracht. Der Übergang von der Schule zur Universität ist im Allgemeinen kein grundsätzliches Problem. Das ist aber ein eher idealisiertes Bild. Die Wissenschaftssprache muss auch an native speakers vermittelt werden. Es gilt also in diesem Bereich eine groβe didaktische Aufgabe aufzunehmen. Es ist aber kein fundamentales Problem.

5. Die Unzugänglichkeit der alltäglichen Wissenschaftssprache für die Fremdsprachenlerner

Für die Fremdsprachen- und Zweitsprachenlerner sieht diese Situation ganz anders aus. In der alltäglichen Kommunikation kommunizieren sie selbstverständlich. Bei den neuen beruflichen Sprachanforderungen kommen sie nicht mehr mit.

6. Was erwartet man von einer Hausarbeit?

- eine argumentative Abhandlung zu einem sachlich komplexen, wissenschaftlich relevanten Thema,
- bestimmte formale Merkmale,
- dass sie die relevanten Begrifflichkeiten des Gegenstandsbereichs beinhaltet,
- dass sie den Konventionen der Wissenschaftssprache gerecht wird,
- dass sie am Stand der Forschung orientiert ist,
- dass die komplexen Inhalte der Fachtexte korrekt referiert werden und in kohärenter Form aufeinander bezogen werden,
- dass sie in Form und Formulierung den Konventionen der Domäne entspricht, um den Leser zu überzeugen.

Die Hausarbeit hat nur einen Leser – den Dozenten. Der kommunikative Zweck der Hausarbeit besteht darin, den Dozenten von der Fachkenntnis zu überzeugen – der „fiktive“ sozial-kommunikativer Rahmen.

7. DSH-Prüfungen – Verstehen und Bearbeiten wissenschaftssprachlicher Strukturen


- Probleme mit der korrekten Wiedergabe von Sätzen,
- massive Probleme mit alltäglichen Ausdrücken, die den Muttersprachlern keine Probleme bereiten,
- die Ausdrücke der alltäglichen Wissenschaftssprache können nur teilweise mit der Hilfe von Wörterbüchern bearbeitet werden,
- Schwierigkeiten, den Sinn von wissenschaftlichen Ausdrücken für sich zu rekonstruieren à die Gefahr, dass das Ergebnis entfernt von dem ist, was der jeweilige Autor meint,
- den Kontext zu verstehen, in dem ein Wort gebraucht wird,
- die Suche nach den Synonymen und nach den muttersprachlichen Entsprechungen.

8. Domänentypische Sprache

Ziel: Konstituierung einer domänentypischen Sprache, die über einen längeren Zeitraum stabil ist. Das Wissen darüber, was in Fachtexten wissenschaftssprachlich üblich ist, das Wissen über einen angemessenen, entsprechenden Sprachgebrauch = Ausdruckskompetenz à Ausdrücke sind in höherem Maβe als Wörter oder Sätze an typische Gebrauchszusammenhänge gebunden und aus diesem Grund kann eingeschätzt werden, ob sie „passend“ verwendet werden oder fehl am Platze sind (z.B. „ein Beispiel anführen“, „eine Frage diskutieren“, „einen Aspekt berücksichtigen“, „einen Ansatz vorstellen“).

9. Der Erwerb der wissenschaftlichen Textkompetenz

Studenten müssen sich die Vertrautheit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit der alltäglichen Wissenschaftssprache erst noch „anlesen“ und „erschreiben“.

Zwei Modellierungsstrategien, mit denen Lerner versuchen, sich mit den „fremden“ Ausdrucksformen vertraut zu machen:

Habitusanpassung: Der Student versucht, zunächst die Sprache der gelesenen Fachtexte beim eigenen Schreiben nachzuahmen und entwickelt dann schrittweise ein Verständnis für die Funktion der Formulierungen.

Problemlösendes Handeln: Zu Beginn der Erwerbs greift der Student auf sprachliche Mittel zurück, die er bereits kennt und verwendet anschlieβend in zunehmender Weise wissenschaftssprachliche Ausdrücke.

Phasen in der Entwicklung wissenschaftlicher Schreibfähigkeiten:


1) Imitation: Versuch, den sprachlichen „Ton“ der Fachtexte zu imitieren
Transposition: Studenten orientieren sich an alltagssprachlichen Mitteln und überführen sie in die neue Domäne

2) Transformation: der bewusste Aufbau des wissenschaftlichen Ausdrucksspektrums. Alltagssprachliche Mittel werden langsam durch fachliche Mittel ersetzt.

3) Erkennen der Spezifik: eine starke Erweiterung wissenschaftssprachlicher Formen und eine Abnahme alltagssprachlicher Mittel. Das domänentypische Ausdrucksspektrum wird ausgebaut

4) Kontextuelle Anpassung: der Lerner nähert sich dem Niveau von Experten an. Die wissenschaftssprachlichen Ausdrücke werden gemäβ eingesetzt, sind funktional adäquat und schlieβen an die in der Wissenschaftskommunikation gebräuchliche Verwendungstypik an.

10. Was ist noch im Bereich der alltäglichen Wissenschaftssprache zu tun?

- Spurensuche – warum sind bestimmte Ausdrücke, bestimmte Konstruktionsweisen für die speziellen Aufgaben wissenschaftlichen Kommunizierens geeignet?

- es gilt zu untersuchen, was sich sprachpsychologisch abspielt, wenn die Fremd- und Zweitsprachenlerner bei neuen beruflichen Sprachanforderungen nicht mehr mitkommen,

- das Profil der alltäglichen Wissenschaftssprache muss präziser erfasst und beschrieben werden,

- eine systematische Analyse über den Studienerfolg von DSH-AbsolventInnen (eine übergreifende Forschungsaufgabe).

Verwendete Literatur:


DREWER, Petra: Wissensvermittlung mit Hilfe kognitiver Metaphern (2007). In: Villiger, Claudia; Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (Hrsg.): Kommunikation in Bewegung. Multimedialer und multilingualer Wissenstransfer in der Experten-Laien-Kommunikation. Festschrift für Annely Rothkegel zum 65. Geburtstag. Frankfurt/M.: Lang 2007.

EHLICH, Konrad: Alltägliche Wissenschaftssprache. In: Info DaF 26 / 1999, 3-24.

GRAEFEN, Gabriele: Wissenschaftssprache - ein Thema für den Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht? In: Wolff, Armin/Schleyer, Walter (Hrsg): Fach- und Sprachunterricht: Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Regensburg 1997, 31-44 (Materialien Deutsch als Fremdsprache 43).

STEINHOFF, Torsten: Wie entwickelt sich die wissenschaftliche Textkompetenz?
In: Der Deutschunterricht 2003, 3, 38-47.

6 komentarzy:

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