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28.9.11

Äsop/Heinrich Steinhöwel – Von dem Wolf und dem Lamm

Äsop erzählt über die Unschuldigen und über die arglistigen Betrüger die folgende Fabel.

Ein Wolf und ein Lamm, beide durstig, kamen an einen Bach, um dort zu trinken. Der Wolf trank oben am Bach und das Lamm fern unten. Als der Wolf das Lamm erblickte, sprach er zu ihm: „Warum trübst du mir das Wasser, wenn ich trinke?“ Das geduldige Lämmlein sprach: „Wie kann ich dir das Wasser trüben, das von dir zu mir fließt?“


(lowiecki.pl)


(vitalia.pl)

Ohne über diese Wahrheit des Lammes zu erröten, sagte der Wolf: „He, he, du verfluchst mich.“ Da antwortete das Lamm: „Ich verfluche dich nicht.“ – „Allerdings“, sprach der Wolf, „und vor sechs Monaten hat das dein Vater auch getan.“ Da sagte das Lamm: „Zu dieser Zeit war ich doch überhaupt noch nicht geboren.“ Da sagte der Wolf: „Du hast mir auch durch dein Nagen meinen Acker vollständig verwüstet und ihn zerstört.“ Da sagte das Lamm: „Wie soll das möglich sein, da ich doch noch gar keine Zähne habe.“ Da wurde der Wolf wütend und sprach: „Wenn ich auch deine Argumente und Ausreden nicht alle widerlegen kann, so will ich doch eine reichliche Mahlzeit an dir haben.“ Er fing das unschuldige Lämmlein, tötete es und fraß es auf.

Mit dieser Fabel will Äsop zeigen, dass bei boshaften und treulosen Anklägern Vernunft und Wahrheit keinen Platz finden kann. Solche Wölfe findet man überall.

27.9.11

Rudolf Kirsten - Fuchs und Hase

„Du drohst mir mit deinen Hörnern, darum fresse ich dich!“, sagte der Fuchs zu dem Hasen, den er erbeutet hatte. „Ich habe keine Hörner!“, schrie der Hase. „Du lügst!“, knurrte der Fuchs. „So sieh mich doch an und überzeuge dich!“, jammerte der Hase. Der Fuchs aber schloss die Augen und biss ihn tot.

Gotthold Ephraim Lessing - Der Wolf und das Schaf

Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) verfasste Theaterstücke und Fabeln. Seiner Meinung nach sollten die Fabeln:
- kurz sein
- gesellschaftliche Probleme behandeln
- immer neu erzählt werden

Der Wolf und das Schaf:

Der Durst trieb ein Schaf an den Fluss; eine gleiche Ursache führte auf der andern Seite einen Wolf herzu. Durch die Trennung des Wassers gesichert und durch die Sicherheit höhnisch gemacht, rief das Schaf dem Räuber hinüber: „Ich mache dir doch das Wasser nicht trübe, Herr Wolf? Sieh mich recht an; habe ich dir nicht etwa vor sechs Wochen nachgeschimpft? Wenigstens wird es mein Vater gewesen sein.“ Der Wolf verstand die Spötterei; er betrachtete die Breite des Flusses und knirschte mit den Zähnen. „Es ist dein Glück“, antwortete er, „dass wir Wölfe gewohnt sind, mit euch Schafen Geduld zu haben“; und ging mit stolzen Schritten weiter.

21.9.11

E.T.A. Hoffmann – Nussknacker und Mausekönig

Nussknacker und Mausekönig“ ist eines der Paradebeispiele der Romantik für ein Kunstmärchen. Mein Text:

Zur Entstehung

Hoffmann schrieb das Märchen im Herbst 1816. Das Jahr 1816 war für ihn ein erfolgreiches Jahr: zu literarischen Veröffentlichungen kam die Uraufführung der ersten romantischen Oper „Undine“, welche einen Höhepunkt seiner musikalischen Karriere bildet. Zudem etablierte er sich beruflich als Richter am Kammergericht (vgl. KREMER 1999: 87). „Nussknacker und Mausekönig“ wurde zum ersten Mal in „Kinder-Mährchen. Von E.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann“ herausgegeben. Für diese Erstausgabe fertigte Hoffmann sechs Zeichnungen an und sendete sie zusammen mit dem Märchen am 16. November 1816 an den Verleger Georg Reimer. Das Märchen entstand für die Kinder von Julius Eduard Hitzig – Fritz und Marie, die in ihm porträtiert wurden. Solche Vornamen tragen die Kinder im Märchen und die vom Erzähler angeredeten Zuhörer. Hitzigs ältestes Kind, Eugenie, tritt als Luise nur am Rande auf. Für seine Kinder bastelte Hoffmann Spielsachen, u.a. ein Modell der Burg Ringstetten aus „Undine“ und erzählte ihnen Märchen (vgl. PIKULIK 1987: 95). Später wurde das Märchen in „Serapions-Brüdern“ (1819-1821) veröffentlicht. Hoffmann folgte der Aufforderung des Herrn Verlegers, daß der Herausgeber seine in Journalen und Taschenbüchern verstreuten Erzählungen und Märchen sammeln und Neues hinzufügen möge (zit. nach METZLER CHRONIK LITERATUR 2006: 361).

Bestechend ist Hoffmanns Phantasie, wenn man daran denkt, dass ein Gegenstand des Alltags einen Anstoß gab: ein Gegenstand wie der Nussknacker, eine Redensart wie „Das war eine harte Nuss!“. Im Märchen beschäftigt sich Hoffmann damit, wie die Redensart entstanden ist und wie der Nussknacker seine Gestalt erlangt hat. Es sind also Dinge, die ihre Entstehungsgeschichte haben (vgl. PIKULIK 1987: 98).

Rezeption

Ende 17. Jahrhundert gewinnt die Gattung des Märchens zuerst in Frankreich, später in Deutschland an Interesse der Gebildeten. Die Popularität des Märchens (…) ist ein Phänomen der neueren Zeit und ein Produkt der Zivilisation (ebd., 96). Nach Schiller hat dieses Interesse „sentimentale“ Natur: es schlägt sich in der Sehnsucht nach dem Kindlichen nieder, also nach etwas, was man selber nicht mehr hat, nach dem Wunderbaren, an das man als Kind glaubte. In ersten deutschen Kunstmärchen, z.B. diesen von Wieland, wird das Märchenhafte als Spiel und Scherz betrachtet – man gibt zu erkennen, dass man es nicht ernst nimmt. Weitab von französischen Feenmärchen wird nicht mehr aus der Perspektive des vernünftigen Erwachsenen erzählt, sondern aus der Perspektive des gläubigen Kindes oder zumindest aus einer doppelten Optik, welche die Erwachsenenperspektive relativiert (ebd.). Das Nussknackermärchen ist eines der deutlichsten Beispiele dafür. Der kleinen Marie widerfahren Wunderdinge, an die ihre Eltern nicht glauben können oder wollen. Diese doppelte Optik, doppelter Standpunkt ist ein Ausdruck für einen Zwiespalt im Autor selber: er gibt sich als jemand, der wie ein Kind glauben möchte, aber es nicht zugeben kann. Das Märchen wird zwar in direkten Anreden an die Kinder gerichtet, aber es enthält ebenfalls ein „Identifikationsangebot“ für Erwachsene (vgl. PIKULIK 1987: 96-97).

Die Zeitgenossen sahen im Märchen ein prägnantes Beispiel für die Problematik romantischer Kinderdichtung. Schon die ersten Rezensionen im „Morgenblatt für gebildete Stände“ und in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“ urteilten, dass Hoffmann unfähig ist, für Kinder zu schreiben und dass das Nussknackermärchen in einem Mährchenbuche für Männer und Frauen einen besseren Platz gefunden (zit. nach BARTH 1995: 7) hätte. Nach Hans-Heino Ewers ist der Dichter zwar fähig, sich teilweise in die Kindeswelt hineinzuversetzen, kann aber als skeptischer Erwachsener die Weltsicht eines Kindes nicht verstehen. So werden Hoffmanns Märchen bewusst zwiespältig angelegt (vgl. BARTH 1995: 8).


(Foto: welt.de)

Das Nussknackermärchen als ein Kunstmärchen

An dieser Stelle wirft sich die Frage auf, ob das Nussknackermärchen überhaupt ein Kindermärchen genannt werden kann. Vom traditionellen Volksmärchen ist Hoffmanns Text in Struktur und Sinn weit entfernt. Zu Motiven, die Hoffmann vom Volksmärchen übernahm, gehören Verzauberung und Entzauberung, Fluch und Erlösung, Kampf zwischen guten und bösen Mächten. Der prinzipielle Unterschied liegt in der Behandlung des Wunderbaren. Das Volksmärchen stellt das Wunderbare als das Wirkliche dar – die Helden wundern sich nicht. Beide Perspektiven gehören der gleichen Welt. Im romantischen Kunstmärchen wird das Wunderbare der Wirklichkeit entgegengesetzt – es gibt eine Einteilung in phantastische und alltägliche Welt. Das Nussknackermärchen ist ein exemplarisches Beispiel dafür. Die Haltung der Erwachsenen ist distanziert und zurückhaltend: Sprich nicht solch albernes Zeug, liebe Marie (S. 32), Wie kann man nur so albern fragen (S. 43), Wie kannst du, du albernes Mädchen, nur glauben... (S. 84). Das Verhalten des Paten Droßelmeier, der in zwei Welten zu leben scheint und an der Peripherie des Phantastischen agiert, ist ebenfalls merkwürdig (vgl. PIKULIK 1987: 97-98). Mehrdimensionale Charaktere sind typisch für Kunstmärchen – die Figuren werden psychologisiert und haben sowohl positive, als auch negative Eigenschaften. Zur Psychologisierung gehört, dass der Held oder die Heldin eine Entwicklung durchmacht – das gilt auch für Marie (vgl. NEUHAUS 2005: 8-9).

Die Figuren werden meistens in einer konkreten Gesellschaft und in Alltagssituationen vorgestellt, was sich auf Maries Eltern und auf den Paten bezieht. Der Medizinalrat Stahlbaum und seine Gemahlin repräsentieren eine konventionelle bürgerliche Gesellschaft. Ort und Zeit der Handlung werden im Unterschied zum Volksmärchen fixiert. Im Nussknackermärchen erscheinen solche Schauplätze wie Nürnberg oder Asien. Zudem zeichnet es sich ebenfalls durch eine parodistische Intertextualität aus (vgl. KREMER 1999: 93). Es korrespondiert in mehrerlei Hinsicht mit dem „Goldnen Topf“ sowie mit dem „Sandmann“. So kann es nicht wundernehmen, dass man in Droßelmeiers Gestalt die gemeinsamen Züge mit dem Archivarius Lindhorst, mit dem Advokaten Coppelius oder mit Johannes Kreisler im Laufe der Handlung allmählich entdeckt. Er ist einer der Hoffmannschen Magier, der sich durch seine Doppelnatur abhebt. Der Pate gehört sowohl der bürgerlichen, als auch der wunderbaren Welt an. Alltagswelt und skurrile Märchenwelt durchdringen sich in seiner Gestalt. Seine Stärke bildet das geheime Wissen. Trotzdem kann er seinen Neffen nicht selbst erlösen, er kann nur eine Mittlerfunktion ausüben, ist nur eine Vermittlungsinstanz und auf diese Art und Weise treibt er die Handlung voran (vgl. PIKULIK 1987: 100-101). Seine Schöpfungen weisen Marie auf das Wunderbare hin, liefern ihr das Material für ihre kreative Phantasie, sind ein Medium für die Vorstellungskraft ihres poetischen Gemüts (vgl. BARTH 1995: 11-12). Es ist eine ambivalente, bizarre Gestalt und ein ironisches Selbstporträt des Verfassers. In romantischen Kunstmärchen kommen selbstreflexive Tendenzen zum Ausdruck. Die Figur des Paten kann also als Hoffmanns Alter ego gelesen werden. Beide sind Juristen, die in ihrer Freizeit künstlerischen Neigungen nachgehen. In Droßelmeiers Aussehen findet man Ähnlichkeiten mit Hoffmann:

Der Obergerichtsrat Droßelmeier war gar kein hübscher Mann, nur klein und mager, hatte viele Runzeln im Gesicht, statt des rechten Auges ein großes schwarzes Pflaster und auch gar keine Haare, weshalb er eine sehr schöne weiße Perücke trug, die war aber von Glas und ein künstliches Stück Arbeit (S. 5).

Zwischen dem Autor und dem Paten besteht eine indirekte Parallele: die Geschichten des Autors sollten ähnliche phantastische Wirkungen produzieren wie die Kunstwerke Droßelmeiers (vgl. KREMER 1999: 96). So wie Hoffmann darauf legte, dass sein Nussknackermärchen mit anderen Beiträgen der Sammlung den Kindern zu Weihnachten geschenkt werden sollte, so hat Droßelmeier für Fritz und Marie das mechanische Spielzeugschloss als Weihnachtsgeschenk gebastelt. Beim Binnenmärchen wird er tatsächlich zum Dichter für die beiden Kinder. So ist Droßelmeier Hoffmanns poetisches Ebenbild (vgl. BARTH 1995: 8-9).

Ungewöhnlich für das Volksmärchen und spezifisch für das Kunstmärchen ist eine ausführliche Beschreibung des Wunderbaren (vgl. PIKULIK 1987: 97-98). So wie im Volksmärchen begegnen dem Protagonisten magische Requisiten. Das Wunderbare ist aber kein Bestandteil der Wahrnehmung aller Figuren – nicht alle besitzen die Kraft, das Traumhafte zu sehen. Von ihnen hängt es ab, ob sie die Fähigkeit mitbringen, Dinge zu erblicken, die sich mit Naturgesetzen nicht erklären lassen (vgl. NEUHAUS 2005: 8).

Die Handlung des Kunstmärchens ist nicht linear, es gibt zeitliche Rückblenden (vgl. ebd.). So wird ins Nussknackermärchen „Das Märchen von der harten Nuss“ eingeflochten, in das wiederum die Geschichte vor der Geburt Pirlipats eingebettet wurde.

Im Kunstmärchen haben wir es mit einer komplexen Welt zu tun – Hoffmann schildert eine erfahrbare, problematische Welt, in der ein nicht eindeutiger Ausgang zugelassen wird. Sie hat in ihrer Anlage eine eher düstere Seite. Es gibt ebenfalls keinen formelhaften Anfang und Schluss. Der Ausgang des Nussknackermärchens legt das Ende des „Goldenen Topfs“ nahe. Hoffmann gibt zu verstehen, dass man die wunderbaren Dinge ausschließlich dann erblicken kann, wenn man aufgeschlossen ist:

(…) und Marie soll noch zur Stunde Königin eines Landes sein, in dem man überall funkelnde Weihnachtswälder, durchsichtige Marzipanschlösser, kurz, die allerherrlichsten, wunderbarsten Dinge erblicken kann, wenn man nur Augen darnach hat (S. 89).

Die letzten Sätze des „Goldenen Topfs“ lauten folgendermaßen:

Waren Sie nicht soeben selbst in Atlantis, und haben Sie denn nicht auch dort wenigstens einen artigen Meierhof als poetisches Besitztum Ihres innern Sinns? – Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret? (S. 130).

Anders als der Student Anselmus, der durch seine individuelle Veranlagung befähigt ist, das Wunderbare zu sehen, ist es Maries Natur des Kindes, die sie empfänglich für das Phantastische macht. Wie bereits erwähnt, steht der Pate an der Grenze der phantastischen und der alltäglichen Welt. Vielleicht ist es sein hervorstechendes Merkmal, und nämlich die Einäugigkeit, die ihn beim Erblicken des poetischen Reichs stört. Hoffmann betont, dass Marie Augen darnach hat – so fehlt Droßelmeier ein Teil des Gesichtsfeldes (vgl. BARTH 1995: 12).

Zusammenfassend darf man wohl sagen, dass das Nussknackermärchen alle notwendigen Kriterien des romantischen Kunstmärchens grundlegend erfüllt – es ist ein Paradebeispiel für das Kunstmärchen. So wird die rationale alltägliche Logik in Frage gestellt. Wir haben es mit Zeitverschiebungen, mit zeitlichen Rückblenden zu tun. Figurenidentitäten werden aufgehoben – es kommt zu Metamorphosen. Letztendlich wird die Dingwelt belebt und die nichtmenschliche Natur bekommt die Sprachfähigkeit (vgl. KREMER 1999: 93).

Inhalt

Das Märchen beginnt am Heiligabend, die Kinder Fritz und Marie Stahlbaum warten auf die Bescherung. Zuerst bekommen sie von den Eltern Puppen, Husaren und Bilderbücher. Als der Pate Droßelmeier kommt, erwarten sie mit Spannung, was er diesmal für sie mitbringt. Zu Weihnachten hat der Pate Droßelmeier ein sehr herrliches Schloss mit vielen Spiegelfenstern und goldnen Türmen (S. 10) für die Kinder gebastelt. Die Kinder sind von den mechanischen Spielsachen enttäuscht, da sie nur eine Illusion von Leben erwecken. Man kann mit ihnen nicht spielen. Ein zweites Geschenk, ein sehr vortrefflicher kleiner Mann (S. 13), der Nussknacker eben, sollte ein Geschenk für die beiden Kinder sein. Seine Körperteile sind disproportional, aber aus den hellgrünen, etwas zu großen hervorstehenden Augen sprach nichts als Freundschaft und Wohlwollen (S. 14). Der Vater bemerkt, dass der Nussknacker vor allem Marie gefällt. So soll sie ihn besonders schützen. Fritz treibt es aber zu toll mit dem Nussknacker – er schob immer die größten und härtesten Nüsse hinein, aber mit einem Male ging es – krack – krack – und drei Zähnchen fielen aus des Nussknackers Munde, und sein ganzes Unterkinn war lose und wackligt (S. 15). Marie nimmt ihren „lieben“ Nussknacker in ihre Obhut, sie wickelte (…) ihn schnell in ihr kleines Taschentuch ein (…), suchte Nussknackers verlorne Zähnchen zusammen (…). So hielt sie ihn wie ein kleines Kind wiegend in den Armen (S. 16).


(Foto: geschenkestube-seiffen.de)

Damit beginnt die Phantasmagorie. Marie bittet ihre Mutter, länger spielen zu dürfen. Schlag zwölf sieht sie den Paten an der Stelle der hölzernen Eule der Wanduhr sitzen. Plötzlich beginnt es leise zu wispern und zu flüstern und zu rascheln ringsherum (S. 21). Die Spielsachen werden lebendig. Zur Geisterstunde erscheint der widerliche, abscheuliche Mausekönig. Unzählige Mäuse kriechen aus dem Fußboden, aus dem Unterreich hervor. So kommt es zum Kampf zwischen dem Heer des kreatürlichen, ekligen Mausekönigs und dem Nussknacker, der von Maries Spielsachen unterstützt wird. Die Husaren erweisen sich als feige und Nussknacker findet sich, vom Feinde dicht umringt, in der höchsten Angst und Not (S. 31). Marie beobachtet die Schlacht und wirft mit ihrem linken Schuh auf den Mausekönig. Sie verletzt sich an der zerbrochenen Scheibe eines Glasschranks und fällt in Ohnmacht. Am nächsten Tag erzählt sie ihren Eltern über die gestrigen Ereignisse, die sie aber dem Schock und Blutverlust zuschreiben. Merkwürdigerweise leugnet der Pate Droßelmeier nicht, dass er zu Anfang der Schlacht auf der Uhr saß, obwohl er Maries „Einbildungen“ auch nicht bestätigt. Das Mädchen wirft ihm vor, dass er ihr gestern zu Hilfe nicht gekommen ist: warum kamst du mir nicht zu Hülfe, du hässlicher Pate Droßelmeier, bist du denn nicht allein schuld, dass ich verwundet und krank im Bette liegen muss? (S. 34). Um sie auszusöhnen, erzählt der Pate „Das Märchen von der harten Nuss“, das die Häßlichkeit des Nussknackers erklären soll. Es beginnt mit der Geburt einer „engelschönen“ königlichen Tochter, von der alle pflichtgemäß und überschwänglich bezaubert sind. Nur die Königin hat Angst um ihre Tochter. Der Erzähler geht in der Zeit zurück – hier finden wir ein Binnenmärchens des Binnenmärchens. Als die Königin sich dem sehr nützlichen Geschäft des Wurstmachens (S. 39) widmete, verlangte Frau Mauserinks, die selbst Königin in dem Reiche Mausolien (S. 40) war, ihren Anteil. Die Königin und ihre Söhne stahlen den Speck für die Wurst und der König beschloss, sich zu rächen. Die Aufgabe, die Mäuse aus dem Palast zu vertreiben, wurde dem Hofuhrmacher Christian Elias Droßelmeier anvertraut, der ebenso hieß als ich, fügt der Pate hinzu (S. 42). Er erfand kleine, sehr künstliche Maschinen (ebd.), die die Mäuse mit Speck anlocken und hinrichten. Frau Mauserinks warnte die anderen, die aber dem Duft nicht widerstehen konnten. Gram, Verzweiflung, Rache erfüllte ihre Brust (ebd.). Sie schafft, sich der kleinen Prinzessin zu nähern und verzaubert sie: Doch wie groß war ihr [gemeint sind die Wärterinnen] Schrecken, als sie hinblickten nach Pirlipatchen und wahrnahmen, was aus dem schönen, zarten Kinde geworden. Statt des weiß und roten goldgelockten Engelsköpfchen saß ein unförmlicher dicker Kopf auf einem winzig kleinen zusammengekrümmten Leibe (S. 45).

Soll die Schönheit wiedererlangt werden, so ist ein Rätsel zu lösen: es ist die überharte Nuss Krakatuk zu knacken, die erst gesucht werden muss. Der zur Lösung Berufene muss jung und unschuldig sein. Seine Aufgabe ist es, den Kampf gegen den Mausekönig zu bestehen. Auch er wird zum Opfer – er stolpert bei der Erlösungszeremonie, er tappt blind ins Unheil und erlebt eine doppelte Verzauberung – er verliert seine Schönheit und erstarrt zur Holzpuppe. Die Prinzessin erhält ihre Schönheit zurück, aber undankbarerweise will sie von ihrem Erretter in dieser Gestalt nichts mehr wissen. Er kann nur durch eine ethische Leistung erlöst werden. Diese Kraft, das Häßliche zu lieben, kann die undankbare Pirlipat nicht aufbringen. Die kleine, sanftmütige Marie spricht die erlösende Formel aus: Ach, lieber Herr Droßelmeier, wenn Sie doch nur wirklich lebten, ich würd’s nicht so machen wie Prinzessin Pirlipat, und Sie verschmähen, weil Sie, um meinetwillen, aufgehört haben, ein hübscher junger Mann zu sein! (S. 87).

In Sanftmut und Glaube liegt also die Lösung – so wie der Nussknacker von seiner Häßlichkeit erlöst wurde, könnte die Welt erlöst werden. Marie besitzt die romantisch-serapiontische Kraft, die alles durch die innere Kraft des Gemüts belebt. Die altruistische Menschlichkeit hat also eine erlösende Kraft, die Marie und Nussknacker das Reich der Poesie genießen lässt und in die bürgerliche Sphäre zurückgeführt wird (KINDLERS NEUES LITERATURLEXIKON: 961). In der letzten Szene des Märchens wird die Einheit von der phantastischen und alltäglichen Welt statuiert – die beiden entgegengesetzten Sphären werden zur Einheit, als die aus der Sphäre der Wirklichkeit kommende Marie sich mit dem die wunderbare Welt repräsentierenden Nussknacker vermählt. Der eigentliche Höhepunkt des Märchens ist das Eingehen von Marie und Nussknacker in die ironisch gezeichnete Wunderwelt. Schrank und Ärmel des Vaters Reisefuchspelzes (S. 70) dienen als Schwelle des Übertritts von der realen zur wunderbaren Handlungsebene. Um ins Phantasienreich zu gelangen, müssen die beiden „das Mandeln-und-Rosinentor“ passieren, das sofort mit dem Schwarzen Tor assoziiert werden kann: Gemeine Leute hießen es sehr unziemlich die Studentenfutterpforte. Es stellt sich heraus, dass der Nussknacker in Konfektburg als Prinz regiert. Er bietet Marie die Mitherrschaft auf dem Marzipanschloss im Zuckerbäckerreich an. Als Marie erwacht, erklärt sie dem Nussknacker, dass sie ihn wie Pirlipat nicht verachten würde. So folgt das glückliche Ende: der Pate stellt ihr seinen Neffen aus Nürnberg vor, der ihr gesteht, dass er zuvor der Nussknacker war und ihr einen Heiratsantrag macht. Diese Verwirrung von Alltagsverstand und Phantastisch-Traumhaftem, der Kontrast zwischen bürgerlicher und fantasiebegabter Existenz erscheint sich als überaus prägend für Hoffmanns Schaffen.

Sozialisationsmärchen

Das Märchen ist eine Apologie der Kindheit. Hoffmann nennt sie im Untertitel ausdrücklich ein Kindermärchen, obwohl ihm von den Zeitgenossen vorgeworfen wurde, dass es für die Kinder nicht geeignet ist. Hoffmann ahnte dies übrigens voraus, als er Theodor sprechen lässt: Sage mir (…), sage mir, lieber Lothar, wie du nur deinen „Nussknacker und Mausekönig“ ein Kindermärchen nennen magst, da es ganz unmöglich ist, dass Kinder die feinen Fäden, die sich durch das Ganze ziehen und in seinen scheinbar völlig heterogenen Teilen zusammenhalten, erkennen können. Bevor der Pate Droßelmeier das Nussknackermärchen erzählt, spricht die Mutter: ich hoffe, lieber Herr Obergerichtsrat, dass Ihre Geschichte nicht so graulich sein wird, wie gewöhnlich alles ist, was Sie erzählen? (S. 37). Eine von aller Wirklichkeit befreite Märchenstimmung kommt nie zustande – die Begegnung mit dem Wunderbaren bedeutet für Marie auch Grauen, Angst und Krankheit (vgl. KINDLERS NEUES LITERATURLEXIKON: 961). So bemüht sich Hoffmann, um die Gunst der Leser oder der Zuhörer zu werben, indem er sich an die Kinder mehrmals wendet: Ich wende mich an dich selbst, sehr geneigter Leser oder Zuhörer Fritz – Theodor – Ernst – oder wie du sonst heißen magst (S. 8), ich weiß nicht, ob du, meine aufmerksame Zuhörerin Marie (S. 18), du kannst dir wohl denken (ebd.), geehrter Leser Fritz (S. 22), werte Zuhörer (S. 28), o mein kriegserfahrner Zuhörer Fritz (S. 29). Diese Leseranreden sind ein direkter Appell ans kindliche Publikum. Diese Form der Zuwendung an die Leser wird in der Literaturtheorie als Captatio Benevolentiae bezeichnet. Marie wird als Identifikationsfigur für die Kinder dargestellt.

Der Ausgangspunkt des Märchens korrespondiert mit dem Anfang von Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (1795/96). In beiden Fällen bekommt ein Kind ein Weihnachtsgeschenk, das folgenreich für seine Entwicklung ist und das die Rollenfindung in der Gesellschaft vermittelt. Der Nussknacker wird für Marie zum zentralen Medium ihrer sexuellen Initiation (vgl. KREMER 1999: 89). Eine weibliche Kindheit wird auf der Schwelle zur Geschlechtsreife gezeigt. Um diese Grenze zu überschreiten, muss Marie bereit werden, die Häßlichkeit des Nussknackers zu lieben. Das Medium dieser Grenzüberschreitung ist ein für Hoffmann typisches Märchenrequisit: eine an sich tote Mechanik, das phantasieerregend wirken sollte. Der häßliche hölzerne Kerl, in dem ein schöner Jüngling verborgen ist, kann nur unter präzisen Bedingungen zum Leben erwachen und nämlich sobald ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsensein ist. Der Nussknacker ist eine Weihnachtsgabe für die Kinder – der Anfang der Geschichte spielt sich in der heiligen Christnacht, der Geburtsstunde des Gottessohnes ab. So übernimmt die kleine Marie die Mutterrolle, als sie den Nussknacker in ihre Obhut nimmt: so sollst du ihn auch besonders hüten und schützen (S. 14), Marie nahm ihn sogleich in den Arm (S. 15), [sie] wickelte den kranken Nussknacker schnell in ihr kleines Taschentuch ein (S. 16), so hielt sie ihn wie ein kleines Kind wiegend in den Armen (ebd.). Zu ihrer Initiation gehört wohl die Einsicht, dass der Nussknacker eine allegorische Substitution des schönen Märchenprinzen ist (vgl. KREMER 1999: 89, 93-94).

Es herrscht eine genaue Ordnung im Glasschrank der Familie Stahlbaum: im dritten Fach sammelt der Junge seine Soldaten, im vierten, unteren Fach das Mädchen seine Puppen. So wird das bürgerliche Rollenkonzept eingehalten, das eine Bildungsvorgabe für Marie darstellt. Sie spürt das Bedürfnis, auch den Nussknacker zu klassifizieren. So bettet sie ihn ins Puppenfach, dann verlegt sie ihn in das Fach mit Spielzeugsoldaten (ebd., 96).

Die Blutspur, welche sich durch den Text zieht, kann als eine initiale Verletzung verstanden werden. Nach dem Erwachen Maries wird ausdrüklich festgestellt, dass der Nussknacker auf ihrem blutenden Arme (S. 33) gelegen hat. Um ihren Nussknacker zu retten, muss Marie dem Mausekönig ihr Marzipan, ihre Süßigkeiten abgeben. Seitdem sie wusste, dass er der Neffe des Paten Droßelmeiers aus Nürnberg ist, wollte sie ihn aus einer gewissen Scheu gar nicht einmal viel anrühren (S. 66). Sie bemerkte aber, dass dem Nussknacker von jener Nacht her (ebd.) ein Blutfleck am Hals geblieben ist. Die Reinigung des Blutflecks animiert den Nussknacker, so dass er den Mausekönig besiegt (vgl. ebd., 98-99).

Zu Initiations- und Sozialisationsproblematik des Märchens gehört die Angst vor der Übernahme einer Rolle, sei es einer sexuellen Rolle, sei es einer Rolle in der Gesellschaft. Diese Angst muss akzeptiert und in kulturell vorgeprägte Formen transformiert werden.

Symbolik

Das Nussknackermärchen enthält zahlreiche Symbole, die ausgelegt werden sollten. Sein Kernthema ist die Suche nach der verlorenen Schönheit. Die verlorene Schönheit legt sofort das Motiv der Häßlichkeit nahe. Beim Mausekönig symbolisiert sie das Böse, beim Nussknacker und bei Pirlipat die verlorene Schönheit. Die ursprüngliche Natur wurde durch ihre Negation verhüllt.

Eines der zentralen Motive ist das der Puppe, die übrigens als ein feststehender poetologischer Topos in der Romantik fungiert:

Puppen, Marionetten dienen der ganzen Romantik als Versinnbildlichung ihrer Ansicht von der konventionellen Gesellschaft (PIKULIK 1987: 100).

Die Puppe steht für alles, was starr, leblos ist, was Bewegung und Leben vortäuscht. Das mechanische Schloss, welches der Pate Droßelmeier den Kindern schenkt, ist ein solches Sinnbild. Die Puppen agieren nur so, wie sie durch die Mechanik vorprogrammiert sind:

Wie die Mechanik nun einmal gemacht ist, muss sie bleiben (S. 11).

Wenn deine kleinen geputzten Dinger in dem Schlosse nichts mehr können als immer dasselbe, da taugen sie nicht viel (ebd.).

Puppen sind Gegenstände, die natürlich zur Welt des Kindes gehören und ihre Phantasie beleben können.

Zum Motivkomplex des Märchens muss das Motiv der Uhr gerechnet werden. Die Erscheinung des Übernatürlichen ist an bestimmte Zeiten gebunden. Um Mitternacht ging es ganz dumpf und heiser zwölfmal (S. 21), als Marie den Paten Droßelmeier bemerkte, der statt der Eule auf der Wanduhr saß (ebd.). Die Uhr ist zwar in ihrer Funktion gestört – zuerst kann sie nicht schlagen, weil sie von Droßelmeier verdeckt wird. Die Uhr lässt sich nicht nur als Symbol für Zeit, sondern auch für einen literarischen Text lesen, in dem alle Teile zusammen wirken müssen, damit er ‚funktioniert‘ (NEUHAUS 2005: 165).

Zum Symbolen- und Motivkomplex gehören die Zahlen. Es gibt drei Geschwister, „drei Zähnchen fielen aus dem Nussknackers Munde“. Die symbolische Zahnzahl legt die Vermutung nahe, dass aus der bösen Tat etwas Gutes erwachsen wird. Das Märchen wird in drei Teilen an drei Abenden von Droßelmeier Marie und Fritz erzählt. Der Uhrmacher und der Astronom benötigen drei Tage und drei Nächte, um eine Lösung zu finden. Der Mausekönig hat sieben Köpfe, auf denen sieben Kronen sitzen. Frau Mauserinks stellt dem Nussknacker vor dem siebten Schritt rückwärts ein Bein.

Es bedarf nur eines raschen Blicks in den Inhalt und in die Struktur des Textes, um festzustellen, dass ironische Töne sich in das ganze Märchen hineinmischen. Die Binnengeschichte von der Prinzessin Pirlipat ist von Anfang an ironisch. Nach der Geburt seiner Tochter fragt der König: hat man was Schöneres jemals gesehen als mein Pirlipatchen? (S. 37). So antworten alle Minister, Generale und Präsidenten und Stabsoffiziere (...): Nein, niemals! (ebd.). Hoffmanns bedient sich überaus oft des Stilmittels der Ironie, z.B. indem er das Aussehen Pirlipats nach der Verzauberung oder die Suche nach der Nuss Krakatuk beschreibt: Er nahm Prinzesschen Pirlipat sehr geschickt auseinander, schrob ihr Händchen und Füßchen ab und besah sogar die innere Struktur (S. 46) - man kann einen Menschen nicht auseinandernehmen, ohne ihn umzubringen. Droßelmeier fing an bitterlich zu weinen, aber Prinzesschen Pirlipat knackte vergnügt Nüsse (ebd.). Der Uhrmacher und der Hofastronom hatten fünfzehn Jahre nach der Nuss Krakatuk gesucht, als Droßelmeier mitten in einem großen Walde in Asien (S. 49) Sehnsucht nach seiner lieben Vaterstadt Nürnberg (ebd.) bekam. Es stellt sich heraus, dass sowohl die Nuss, als auch der Nussknacker dort mühelos gefunden werden.

Ein rekurrentes Motiv des Nussknackermärchens bilden Horoskope, die vom Hofastronomen gestellt werden: zuerst wird das Horoskop Pirlipats gestellt, folglich das Horoskop des Sohnes Christian Zacharias Droßelmeiers, letztendlich das hoffnungsvolle Horoskop des Nussknackers. Die Ohnmacht symbolisiert immer einen Übertritt, eine Änderung: so fällt Marie wegen der Schlacht in Ohnmacht und erwacht in ihrem Bett, die Königin wird ohnmächtig, als Pirlipat von ihrer Missgestalt erlöst wird.

Das Motiv des Traums kann nicht übersehen werden – es ist keine Überraschung in den romantischen Erzählungen. Der Vorleser Lothar kündigt das Märchen als „Labyrinth von Ahnungen und Träumen“ an. Der Traum wird als ein Medium eingesetzt, das Unbewusste zu analysieren. Normalerweise ist der Traum unbewusst produziert, hier ist er jedoch eine völlig bewusste und reflektierte Stimulation, man denke an beide Ohnmachten Maries.

Primärliteratur:

HOFFMANN, E.T.A. (1816): Nussknacker und Mausekönig. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2008.

Sekundärliteratur:

Lexika:

JENS, Walter (Hrsg.) (1996): Kindlers neues Literaturlexikon. München: Kindler, 961.

MEID, Volker (2006): Metzler Chronik Literatur – Werke deutschsprachiger Autoren. 3., erweiterte Auflage. Stuttgart / Weimar: Verlag J.B. Metzler, 361.

Monographien:

KREMER, Detlef (1999): E.T.A. Hoffmann. Erzählungen und Romane. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

NEUHAUS, Stefan (2005): Märchen. Tübingen / Basel: A. Francke Verlag.

PIKULIK, Lothar (1987): E.T.A. Hoffmann als Erzähler. Ein Kommentar zu den „Serapions-Brüdern“. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wissenschaftliche Artikel:

BARTH, Johannes (1995): „So etwas kann denn doch wohl der Onkel niemals zu Stande bringen“. Ästhetische Selbstreflexion in E.T.A. Hoffmanns Kindermärchen Nuβknacker und Mausekönig. In: Steinecke, Hartmut / Loquai, Franz / Scher, Steven Paul (Hrsg.): E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch. Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Band 3. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 7-14.

19.9.11

Vergleich zwischen Volks- und Kunstmärchen

Nach Neuhaus (Neuhaus, Stefan 2005: Märchen. Tübingen / Basel: A. Francke Verlag, S. 7-8).


Volksmärchen / Kunstmärchen:

angeblich mündliche Tradierung / Werk eines bestimmten Autors
ortlos, zeitlos / Fixierung von Ort und Zeit
einfache Sprache / künstlerische Sprache
einsträngige Handlung / mehrsträngige Handlung
stereotype Handlung / originelle Handlung
stereotype Schauplätze / charakteristische Schauplätze
eindimensionale Charaktere, Typen / mehrdimensionale Charaktere
keine Psychologisierung der Figuren / Psychologisierung der Figuren
Figuren sind gut oder böse / gemischte Figuren
Happy-End / kein eindeutiges Happy-End oder schlechter Ausgang
formelhafter Anfang und Schluss / keine Formeln
einfaches Weltbild / komplexes Weltbild

i.d.R. gemeinsame Merkmale:

Held muss Aufgabe lösen
magische Requisiten (Zauberstab, Besen…)
Zahlensymbolik, Natursymbolik
Tiere können sprechen / animistische Weltsicht
Verbindung zum Mythos / Transzendenz
symbolisches Verhandeln u. Bewältigen alltäglicher Probleme

15.9.11

Systemtheorie (Literaturtheorie)

Meine Bücher zum Thema „Literaturtheorie“:




(Fotos: amazon.de, znak.com.pl)

Und nun zur Systemtheorie (mein Text):

Die Systemtheorie wurde in den 80. Jahren von Niklas Luhmann entwickelt, aber nicht als ein spezifisch literaturwissenschaftliches Verfahren. Systemtheoretische Modelle konzentrieren sich auf die Erfassung des Verhältnisses von Literatur und Gesellschaft und beschreiben Literatur als ein Handlungs- und Sozialsystem. Im Mittelpunkt steht die Frage nach einer Theorie der Gesellschaft, die sich in drei Teile gliedern sollte:
- ein Grundriss der Systemtheorie (Luhmann 1984: Soziale Systeme),
- ein Darstellung des Gesellschaftssystems (Luhmann 1998: Die Gesellschaft der Gesellschaft),
- eine Darstellung der wichtigsten Funktionssysteme der Gesellschaft, neben Wirtschaft, Wissenschaft und Recht auch Kunst (Luhmann 1995: Die Kunst der Gesellschaft).

Ein System besteht aus einer Menge untereinander unabhängiger Elemente und Relationen, die durch strukturelle oder funktionale Ähnlichkeit integriert werden. Veränderungen eines Elements oder einer Beziehung wirken auf alle anderen Systemelemente ein. Innerhalb dieses Systems herrschen bestimmte Regeln, die für dieses System typisch sind und es von anderen abgrenzen. Für Luhmann sind Systeme als Kommunikationsstrukturen zu sehen, deren einzige Funktion die Reduktion von Komplexität ist. Die Systeme sollten System von Umwelt trennen. Diese Trennung vermindert die Weltkomplexität, die die Integrität des Systems bedroht. Kommunikationen werden als kleinste Einheiten von sozialen Systemen verstanden. Sie bestehen aus der Selektion von Information, Mitteilung und Verstehen.

Ein Beispiel für eine literarische Kommunikation:
- Romanproduktion – Mitteilung,
- Darstellung eines Bedeutungsuniversum im Roman – Information,
- die Mitteilung wird durch eine literarische Lektüre angenommen oder abgelehnt (Verstehen).

Alle drei sind kontingent – sie können also immer fehlen, z.B. ein Roman kann gelesen oder nicht gelesen werden. Beide Seiten der Kommunikation – „Ego“ (SprecherIn) und „Alter“ (HörerIn) können Mitteilung, Information und Verstehen unterschiedlich auswählen, d.h. soziale Systeme beruhen auf der doppelten Kontingenz der Kommunikation.

Kunst in der Systemtheorie

Literarische Texte sollten im Rahmen des Systems „Kunst“ analysiert werden. Die Kunst ist als ein funktionales Teilsystem im Gesamtsystem der Gesellschaft zu begreifen. Luhmann versteht die Kunst als ein autopoietisches System der modernen Gesellschaft. Der griechische Begriff „autopoíësis“ bezeichnet einen Prozess der Selbsterschaffung und Selbsterneuerung eines Systems. Luhmann: „autopoietische Systeme sind Systeme, die nicht nur ihre Strukturen, sondern auch die Elemente, aus denen sie bestehen, im Netzwerk eben dieser Elemente selbst erzeugen“ – es geht um die Idee der Herstellung und Stabilität eines funktionalen und in sich geschlossenen Systems durch sich selbst. Luhmann versteht die Kunst und die Gesellschaft als ein autonomes System der Selbstproduktion. Für ihn ist das ganze Gesellschaftssystem autopoietisch - es stützt sich auf Kommunikation. Die Kunst sollte eine bestimmte Form der Kommunikation ermöglichen. Die Kommunikation spielt eine zentrale Rolle in der modernen Gesellschaft – „das Kunstwerk wird hergestellt als Mittel der Kommunikation“. Als Teilsystem der Gesellschaft kann sich die Kunst nicht anders als die Gesellschaft insgesamt verhalten, und das heiβt als Autopoiesis von Kommunikationsprozessen.
Luhmann hat die Analyse der Kunst erfolgreich am Leitfaden der Begriffe der Kommunikation und der Autopoiesis in die Systemtheorie integriert.

Literatur- und Lesersoziologie

In der Systemtheorie spielt die Literatursoziologie eine äuβerst wichtige Rolle. Die Systemtheorie will das Verhältnis zwischen Literatur und Gesellschaft erfassen und die Literatursoziologie fragt nach der gesellschaftlichen Wirkung von literarischen Texten. Es wird nach der Rezeption von Literatur, nach der Soziologie von Lesergruppen und Rezipienten, nach den Institutionen und nach der Literaturvermittlung gefragt.

Kritik an der Systemtheorie

Kritisiert an der Systemtheorie war vor allem, dass sie die Rolle der Literatur in der Gesellschaft auf ihre Funktion im System reduziert. Auβerdem wurde nach der Verbindung von Kunst und Kommunikation gefragt. Die Systemtheorie hat auch die Frage nach der Funktion von Literatur im historischen Prozess in den Hintergrund gedrängt.

7.9.11

Weshalb sollte man Fremdsprachen nicht konsequent einsprachig unterrichten?

Es ist die Meinung von Madeline Lutjeharms. Ich habe eine ähnliche Meinung zu dem Thema:

Madeline Lutjeharms führt in ihrem Text Die Rolle der Übersetzung in die Ausgangssprache für den Wortschatzerwerb in der Fremdsprache mehrere Argumente dafür an, warum man Fremdsprachen nicht konsequent einsprachig unterrichten sollte. Sie bespricht die neuesten Erkenntnisse der Kognitionspsychologie, die beweisen, dass es starke Verbindungen zwischen L1 und L2 im Gedächtnis gibt. Die Kognitionspsychologie untersucht u.a. Beziehungen zwischen Wortformen und –bedeutungen, Worteigenschaften, die Art der Repräsentation der Wörter im Gedächtnis, die Art und Weise der Worterkennung und des Wortabrufs, die Aktivierung der Wörter, die sprachliche Rezeption und Produktion, die Verarbeitungsmechanismen bei der Worterkennung.

Diese umfassenden Erkenntnisse führen zur Schlussfolgerung, dass schon bestehende Kenntnisse bei der Verarbeitung und Integration vom neuen Wissen äuβerst behilflich sind. Daran kann man mit unterschiedlichen Lern- und Verstehensstrategien arbeiten.

Die semantischen Verknüpfungen zwischen Übersetzungsäquivalenten sind sehr stark. In der Anfängerstufe spielt die Übersetzung eine groβe Rolle, weil die Stellung von L1 im mentalen Lexikon dominierend ist. Der Wortschatzerwerb ist wesentlich leichter, zumal die Begriffe schon vorhanden sind. Aus diesem Grunde sind die lexikalischen Verbindungen zwischen L1-Wörtern und L2-Übersetzungsäquivalenten besonders am Anfang sehr wichtig. Beim Einsatz der Muttersprache verringert sich die Belastung des Arbeitsgedächtnisses. Je besser die Fremdsprache beherrscht wird, desto mehr nimmt die Verwendung von L1 ab.

Abschlieβend stellt Lutjeharms fest, dass die Übersetzung eine wichtige Verstehens- und Lernhilfe ist und dass die Angst von der Interferenz unbegründet ist. Mit der Zeit wird die Fremdsprache automatisiert und deshalb ist sehr wahrscheinlich, dass eine automatische Aktivierung von Übersetzungsäquivalenten auftritt.

6.9.11

Lernerorientierte Wortschatzauswahl und –vermittlung

1) die Akzentverschiebung der Ziele der Wortschatzauswahl und –vermittlung

Seit den 60. Jahren eine Verschiebung der Perspektive – Őffnung des traditionell lernstofforientierten Konzepts für stärker orientierte Aspekte --> Berücksichtigung von Bedürfnissen der Lernenden bei der Planung von Lehrplänen und Definition von Lernzielen, pragmatische Orientierung von Lernzielen, Berücksichtigung von institutionellen Lehrbedingungen, von individuellen Lernvoraussetzungen und von Merkmalen der Zielsprache und –kultur

2) Grundwortschatz --> Kriterien der Auswahl des Grundwortschatzes (Neuner 1991):

- die Frequenz (die Häufigkeit des Vorkommens) --> mit den ersten 1000 Wörtern einer Sprache erfasst man mehr als 80% des Wortschatzes aller Normaltexte

- die definitorische Kraft eines Wortes für andere Wörter

- die Kraft der Inklusion, d.h. das Maβ, in dem ein Wort andere Wörter ersetzen kann

- die extensive Kraft, d.h. die Anzahl der Bedeutungsdefinitionen, die zu dem betreffenden Wort möglich sind

- die kombinatorische Kraft, d.h. die Häufigkeit, mit der ein Wort in Komposita und Wortableitungen vorkommt

- die Verfügbarkeit, d.h. die Bindung an konkrete, dem Lernenden vertraute Verwendungszusammenhänge.

Bohn (1999) gibt noch folgende Kriterien an:

- Themenbezogenheit: gemeint sind die lexikalischen Mittel, die notwendig sind, um sich über ein bestimmtes Thema informieren oder äuβern zu können,

- Ästhetik: der Wohlklang der Wörter; Wörter, die für jemanden eine angenehme Lautform oder eine interessante Schriftform haben,

- Hochsprache: Wörter, die der Norm dieser Stilebene entsprechen, also nicht umgangssprachlich oder dialektal geprägt sind, z.B. „trinken“, nicht „saufen“,

- Internationalismen: Wörter, die in mehreren Sprachen in gleicher oder ähnlicher Form (Aussprache/Schreibung) vorkommen und auch die gleiche Bedeutung haben,

- Aktualität: Wörter und Kombinationen, die im gegenwärtigen Sprachgebrauch in bestimmten Situationen bevorzugt werden.

3) die Aspekte der Lernerorientierung:

- Brauchbarkeit: hier geht es um die Bestimmung wichtiger Inhaltswörter durch eine Bedürfnisanalyse. Die Brauchbarkeit berücksichtigt die sprachlich-pragmatischen Bedürfnisse der Lernenden. Die Frage ist: zu welchem Zweck lernt jemand eine fremde Sprache, welche Themen, Kommunikationssituationen, Fertigkeiten, Rollen und demzufolge welche sprachlichen Mittel stehen im Vordergrund? Es ist offensichtlich, dass diese für einen Touristen andere sind als für eine Krankenschwester.

- Verstehbarkeit: mit Verstehbarkeit ist gemeint, dass bei der Bestimmung des Lernwortschatzes auch das Verhältnis von Muttersprache und Zielsprache und Fragen des Kulturkontakts berücksichtigt werden. Hier spielen also Fragen der Sprachsystematik eine Rolle – ob es also Verwandschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Sprachen gibt (Deutsch – Niederländisch, Deutsch – Polnisch, Deutsch – Englisch). Wichtig ist auch, ob es zwischen den Kulturen lockere Kontakte oder Distanzen gibt und welche Bereiche den Lernenden interessieren.

- Lernbarkeit: der Gesichtspunkt der Lernbarkeit ist wichtig, weil hier auf die Frage eingegangen wird, was schwer zu lernende und was leicht zu lernende Wörter sind. Nach Neuner (1991) sind leicht zu lernen:

--> „Wörter, zu denen es in der Erfahrung der Lernenden klare Situations- und Handlungsbezüge gibt,
--> Wörter, die inhaltlich und formal gut in Kontexte eingebettet sind,
--> Wörter, deren Inhalt die Lernenden emotional bzw. affektiv anspricht,
--> Wörter, die visuell dargestellt werden können (von denen man sich ein Bild machen kann).“

Quellen:

BOHN, Rainer (1999): Probleme der Wortschatzarbeit. Berlin u.a.: Langenscheidt.

NEUNER, Gerhard (1991): Lernerorientierte Wortschatzauswahl und –vermittlung. In: Deutsch als Fremdsprache 28.

4.9.11

Das Deutschland- und Deutschenbild in ausgewählten Lehrwerken für DaF

Ausgewählte Lehrwerke:




These 1: Das Lehrbuch Stufen International 3 stellt das prägnantste Deutschlandbild dar.

Erläuterung: Im Lehrbuch werden viele Bereiche des Lebens angesprochen (das Alltägliche, die Politik, die Wirtschaft, die Stereotype). Das Thema „Ausländer in Deutschland“ nimmt einen besonderen Platz ein. Im Lehrbuch sind Berichte und Erlebnisse der Ausländer zu finden. Ihre Situation in Deutschland wird angesprochen. Weil das Lehrbuch für die Erwachsenen geschrieben wurde, auch für die, die in Deutschland leben, gibt es einen Anlass zur Diskussion über die Integration der Ausländer in Deutschland (wie sollte sie erfolgen?).

These 2: Es besteht eine Gefahr, dass sie Stereotype verfestigt werden.

Erläuterung: Die Darstellung Deutschlands ist teilweise stereotypisch. Deutschland gilt als ein „ordentliches“, sauberes Land. Die Deutschen sind höflich, nett und geduldig, aber auch distanziert, schweigsam, fleiβig und humorlos. Wenn es um die Kleidung geht, wird nur die typische bayrische Tracht genannt, mit der die Deutschen sehr oft assoziiert werden. Nicht anders ist es im Lehrwerk Eurolingua 3: die Deutschen gelten dort als fleiβig, sauber, pünktlich, effizient und humorlos.

These 3: In Lehrbüchern Stufen international 3 und Eurolingua 3 scheint der kognitive Ansatz der Landeskunde eine groβe Rolle zu spielen.

Erläuterung: Im Lehrbuch Eurolingua 3 wird sehr viel Wissen über die deutschsprachigen Länder vermittelt. Es handelt sich um das Wissen über die Geschichte (der 9. November, die Weimarer Republik, der Krieg, die BRD und die DDR, die Nachkriegsgeschichte, Österreich im 20. Jahrhundert), und die Kultur (Caspar David Friedrich, Erfindungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Wien und seine Sehenswürdigkeiten).

Im Lehrbuch Stufen international 3 ist das Faktenwissen ebenfalls von groβer Bedeutung. Es gibt Einheiten „Städte – Regionen – Länder“ (jeweils 2 Seiten), über das deutsche Weltkulturerbe, über die Malerei und die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts.

Das Faktenwissen wird aber nicht nur mithilfe von informativen Texten vermittelt, sondern auch mit praktischen Übungen geübt.

These 4: In allen Lehrbüchern (Eurolingua 3, Stufen international 3 und Themen aktuell 3) liegt der Schwerpunkt auf der interkulturellen Kommunikation.

Erläuterung: In einem fremden Land tritt der Lernende in Kontakt mit einer anderen soziokulturellen Wirklichkeit. Deswegen sollte der Unterricht eine Möglichkeit bieten, sich mit den eigenen Einstellungen, Stereotypen und Vorurteilen einer anderen Kultur und Nation gegenüber auseinanderzusetzen. In oben erwähnten Lehrwerken kann man auf viele Beispiele für Unterrichtsaktivitäten treffen, die sich eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation zum Ziel setzen. Es sind z.B. Fragen wie Was ist anders als in Ihrem Heimatland? Was ist gleich oder ähnlich, ungewöhnlich oder selten und warum? Wie sollte die Integration der Ausländer erfolgen? Wie ist die Bedeutung von Gestik und Mimik? Kann man mehr als eine Heimat haben? Was sind Vorurteile? Auβerdem: Texte zum Hörverstehen, Wortbildung, kurze Geschichten, Leseverstehen, interkulturelle Vergleiche, grammatische Übungen (Stufen international 3). Im Lehrbuch Eurolingua 3 finden sich auch Themen wie Klischees und Vorurteile oder Berichte über interkulturelle Erfahrungen. In Themen aktuell 3 dominieren eher interkulturelle Vergleiche.

These 5: In allen drei Lehrwerken sind viele Bilder zu finden, die ein Bild einer multikulturellen Gesellschaft darstellen. Andererseits gibt es auch Fotos, die Deutschland auf eine stereotype Art und Weise abbilden.

Erläuterung: Im Lehrbuch Stufen international 3 finden sich viele Bilder, die Deutschland als ein modernes, industrielles, umweltbewusstes Land zeigen (Schnellzüge, Müllsortieren, Leute, die Rad fahren, viele Verkehrszeichen, zahlreiche Grünanlagen). So wie in Eurolingua 3 gibt es viele Fotos, die darauf hinweisen, dass die deutsche Gesellschaft eine multikulturelle Gesellschaft ist. In Lehrbüchern befinden sich auch Fotos, die verschiedene Sehenswürdigkeiten und Traditionen aus Deutschland zeigen (z.B. folkloristische Traditionen, die Baseler Fastnacht, Kölner Dom, Porta Nigra, Salzburger Altstadt, Karneval der Kulturen in Berlin usw.).

These 6: In Lehrbüchern Stufen international 3, Eurolingua 3 und Themen aktuell 3 werden fünf Präsentationsweisen der Inhalte genutzt. Wenn es um die Landeskunde geht, gibt es also typisierend-imitatorische, normativ-dokumentarische, affirmativ-exklamatorische, problemorientierte und kritische-emanzipatorische Texte.

Erläuterung: Typisierend-imitatorische Texte beschreiben die konkreten Erscheinungsformen des jeweiligen Gegenstands (z.B. wie verbringen die Jugendlichen in Deutschland ihre Freizeit? Was essen die Anhänger verschiedener Religionen [nicht]?).

Normativ-dokumentarische Texte dokumentieren genau und objektiv die tatsächlich existierenden Verhältnisse. In den oben erwähnten Lehrbüchern sind Statistiken und Zahlen zu finden (z.B. die Statistiken „Ausländer in Deutschland“, „Computer schlägt Buch“, die Grafik „Schule in Deutschland“, Texte über Sehenswürdigkeiten in den deutschsprachigen Ländern, über wichtige Persönlichkeiten aus den Bereichen Malerei, Literatur, historische Landkarten – „Deutschland bis 1918“, „Deutschland von 1919 bis 1937“, „BRD und DDR“, die Fotos „Arbeitslose demonstrieren“, „Kaiser Franz Joseph I. von Österreich“, „Der 9. November 1989“).

Affirmativ-exklamatorische Texte präsentieren das Besondere. Die bemerkenswerten und herausragenden Aspekte und Leistungen werden hervorgehoben (Schnellzüge, Englischkenntnisse, das Weltkulturerbe in den deutschsprachigen Ländern).

Die problemorientieren Texte regen zu Stellungnahmen und Lösungsvorschlägen innerhalb der gegebenen Sachverhalten. Beispiele für solche Texte sind „Kein Geburtstag, keine Integration“, „Die Einheimischen und die Fremden“, „Aktion Sorgenkind“.

Wenn es um kritisch-emanzipatorische Texte geht, sind z.B. solche Texte wie „Die Kaninchen, die an allem schuld waren“, „Fünf Fragen reisen um die Welt“ zu finden.



Quellen:


Eurolingua Deutsch 3 (1999).
Stufen international 3 (1997).
Themen aktuell 3 (2004).

ROCHE, Jörg (2008): Fremdsprachenerwerb, Fremdsprachendidaktik. Tübingen [u.a.]: Francke, S. 224-245.

STORCH, Günther (2008): Deutsch als Fremdsprache: eine Didaktik. München: Fink, S. 285-296.

3.9.11

Die Rolle der Übersetzung beim Fremdsprachenlernen

Inwiefern habe ich die Übersetzung beim Fremdsprachenlernen benutzt? Wie denke ich darüber?

Ich muss zugeben, dass die Rolle der Übersetzung in meinem Fremdsprachenlernen immer sehr groβ war. Ich studierte auf Lehramt und stimme dem nicht zu, dass man den Unterricht einsprachig gestalten sollte. Ich denke, dass der vernünftige Einsatz der Übersetzung unentbehrlich ist. Deswegen freue ich mich darüber, dass mein Fremdsprachenunterricht immer zweisprachig war (auβer dem Germanistikstudium). In meinem Studium wurde sehr selten übersetzt. Es wurden vor allem Synonyme und Umschreibungen benutzt.

Ich lerne vier Fremdsprachen und denke, dass sie in meinem Kopf kombiniert gespeichert sind. Wenn ich ein neues Wort lerne, dann lerne ich es gleichzeitig in allen Fremdsprachen, z.B. Gebäude – building – edificio – rakennus. Dann ist es für mich einfacher, mir Wörter zu merken und sie im Gedächtnis zu behalten. Ich verwechsle Wörter nicht. Wenn ich auf Deutsch spreche oder schreibe, dann denke ich nur an die deutsche Sprache. Ich übertrage die Strukturen oder die Bedeutungen des Polnischen in andere Sprachen nicht. „Falsche Freunde“ oder Homonyme haben mir nie Probleme bereitet. Wenn ich Schwierigkeiten mit einer Struktur einer Sprache habe, dann passiert das nur innerhalb dieser Sprache und resultiert nicht aus der Interferenz.

Wenn ich etwas auf Deutsch sagen muss und ausreichend Zeit habe, dann denke ich auf Polnisch und übersetze meine Aussage ins Deutsche. Das passiert allerdings selten. Meistens spreche ich spontan und denke sofort auf Deutsch. Als ich in der Oberschule war, gab es in meiner Klasse Personen, die ihre Texte zuerst auf Polnisch und erst dann auf Deutsch verfasst haben. Daraus resultierten natürlich viele Fehler. Meiner Meinung nach sollte man Texte nur in der Fremdsprache schreiben. Man kann z.B. Stichworte in der Muttersprache sammeln, aber ich denke, dass beim Schreiben die Übersetzung keine gute Hilfe ist.

Ich hatte Praktika an der Grundschule, am Gymnasium und an der Oberschule in Polen und muss feststellen, dass die Übersetzung eine unentbehrliche Hilfe im Unterricht ist. Viele Wörter sollten nur mithilfe von Übersetzung vermittelt werden, weil sie mehrdeutig, leicht zu verwechseln sind oder falsch verstanden werden können. Das gilt z.B. für Homonyme, für Abstrakta oder für „falsche Freunde.“

Abschlieβend muss ich sagen, dass ich mir das Fremdsprachenlernen ohne Übersetzung nicht vorstelle. Das Nachschlagen im zweisprachigen Wörterbuch ist etwas, worauf ich nicht verzichten könnte. Wenn es um Deutsch geht, benutze ich fast nur einsprachige Wörterbucher, aber das ist mit dem höheren Niveau der Sprachbeherrschung verbunden.

Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe ist zwar kein deutsches Buch, aber eines meiner Lieblingsbücher. Deswegen habe ich entschieden, einiges über dieses tolle Buch auf Deutsch zu schreiben.

Ich von der Tatsache fasziniert, dass Tolkien alle Gestalten, alle Orte, die ganze Mittelerde völlig ausgedacht hat. Denn die Mittelerde hat ihre eigenen Völker, ihre Geschichte, ihre Sprachen. Das ist eben der Grund dafür, warum diese Welt die Leser immer noch begeistert. Noch niemals in der Literaturgeschichte hatten wir mit einer ganzen, detailliert ausgedachten Mythologie zu tun. Es ist kein Wunder, dass J.R.R. Tolkien zum wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts erkoren wurde.

In Tolkiens Werken haben wir mit einer enormen Vielfältigkeit der Helden zu tun. Wie es schon angedeutet wurde, erzählt Tolkien in seinen Werken die Geschichte des Konflikts zwischen zwei Mächten. Dieser Konflikt hat aber nicht mit der Entstehung der Ringe begonnen. Die Missverständnisse und Kriege wurden zwischen verschiedenen Stämmen ständig fortgesetzt. Von diesen Ereignissen wird im Silmarillion berichtet. Im diesen Werk erzählt Tolkien auch, warum es zum Ringkrieg gekommen ist.

Sauron will den einzigen Ring zurückbekommen. Er baut seine groβe Macht den dunklen Herrschers wieder, sammelt seine Diener, die ununterbrochen nach dem Ring suchen. So beginnt im dritten Zeitalter der Mittelerde der groβe Ringkrieg, der etwa ein Jahr lang dauert. Der tapfere Hobbit Frodo und seine Gefährten machen sich auf den Weg nach Mordor, um dort den einzigen Ring zu zerstören. Nur auf diese Art und Weise kann Sauron endlich vernichtet werden. Nach vielen Bemühungen, Fallen und Versuchungen hat die groβe und gefährliche Mission Erfolg.

Die lange lange Straβe lang

Borcherts Kriegsheimkehrer aus der Kurzgeschichte Die lange lange Straβe lang

Mein Text:

Der Heimkehrer aus der Geschichte Die lange lange Straβe lang fühlt sich ständig bedroht. Der 25-jährige Mann – Leutnant Fischer – ist als Auβenseiter, als Einzelgänger unterwegs. Er kommt an verschiedenen Gebäuden vorbei, hört die Geräusche des normalen alltäglichen Lebens. Er erlebt Unruhe- und Angstzustände. Borchert zeigt seine elementare Vereinsamung, seine Subjektkrise. Der Heimkehrer hat eine Persönlichkeit vom inneren Widerspruch, die ihn von der Umwelt entfremdet. Er sehnt sich nach seiner Mutter. Die Abwesenheit einer mütterlichen, mitleidigen Figur lässt ihn sich ständig bedroht fühlen: „Und seitdem ist jedes Geräusch ein Tier in der Nacht. Und in den blaudunklen Ecken warten die schwarzen Männer“ (Borchert 1947: 289). Er fühlt nicht wirklich, dass er ein lebendiger Mensch ist – er ist genauso lebensmüde wie ein alter Mensch. Zugleich ist er lebenshungrig, sein Hunger ist unersättlich.

Durch den Anblick des zerstörten Landes werden Erinnerungen wachgerufen. Der Mann berichtet vom unerwarteten Tod 57 Menschen. Er stellt verzweifelte Fragen. Niemand kann jedoch die Frage „Warum“ beantworten: entweder die Vertreter der staatlichen noch die Vertreter der kirchlichen Macht. Er ist sich dessen bewusst, dass 57 Tote beweint werden. Er führt vor Augen das Leiden der Hintergebliebenen. Er scheint es zu bereuen, dass auch er nicht tot ist. Er leidet unter Hunger – seine Lebenskräfte sind erschöpft. Immer wieder fällt er auf die Straβe.

In seinem Bewusstsein erscheint die Vorstellung von einer Vergegenständlichung des Bösen – es ist eine Puppe des „Brillenmannes im weiβen Kittel“. Die Puppe löst die Angst aus. Der Heimkehrer versucht, das Schreckliche zu überwinden, das Bedrohliche zu verdrängen. Leutnant Fischer vernichtet die Puppe, um sich von dem Bösen symbolisch zu befreien und seinem Problem auszuweichen. Sein Verhalten erinnert an das Verhalten eines Kindes, das sich gegen das Böse wehrt. Diese Reaktion war jedoch nur in der Kindheit wirksam – jetzt ist es keine richtige Befreiung. Die wahren Sachverhalte kann der Heimkehrer nicht unterdrücken. Der junge Leutnant kann nur versuchen, seine Ängste zu objektivieren, indem er die Puppe mit dem Bösen identifiziert.

So wie in vielen anderen Kurzgeschichten bedient sich Borchert der Technik des inneren Monologs – auf diese Art und Weise zeigt er die Auswirkungen des Krieges auf die Psyche des jungen Mannes. So wird der seelische Zustand des Heimkehrers geschildert. Leutnant Fischer trifft sein Alter Ego – Timm, der ihm die Schuld an der Misshandlung eines älteren Mannes zuschiebt: „Timm sagt, ich hätte den Alten nicht vom Wagen schubsen sollen. Ich hab den Alten nicht vom Wagen geschubst. Du hättest es nicht tun sollen, sagt Timm. Ich habe es nicht getan“ (Borchert 1947: 292). Bei diesem „alten Mann“ handelt es sich um eine Figur des Vaters. Die Erscheinung Timms als eine Vision lässt Fischer sich schuldig fühlen. Es gelingt ihm jedoch, einen wirklich Schuldigen auβer sich zu finden. Er weiβ, dass Timm mit Schuld beladen ist: „Aber ich kenne Timm, der nicht schlafen kann, weil er den alten Mann getreten hat“ (Borchert 1947: 306). Timm gelingt es nicht, seine Schuld dem jungen Mann zu schieben.

Die Gestalt des Heimkehrers ist in Borcherts Werken ein Spielball des Schicksals, ein Jedermann der Kriegsgeneration, ein illusionsloser Individualist, ein junger Mensch, der das Schicksal seiner Altersgenossen beispielhaft vorlebt, ein Repräsentant einer schrecklichen Zeit. Die Auβenwelt droht ihm ebenso zu entgleiten wie das eigene Selbst.

Primärliteratur:

BORCHERT, Wolfgang (1947): Die lange lange Straβe lang. In: Das Gesamtwerk, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag 2009.

Baśnie braci Grimm

Już od dawna byłam zainteresowana prawdziwymi wersjami baśni braci Grimm, ale jakoś zawsze brakowało mi czasu, żeby je przeczytać. W końcu postanowiłam to zrobić. Każdy chyba wie, że rozpowszechnione wersje różnią się nieraz znacznie od baśni spisanych przez braci Grimm. W nich jest bowiem niemal na porządku dziennym odcinanie sobie palców u rąk, wydłubywanie oczu, odcinanie pięt. Bardzo częstym motywem jest również kanibalizm. Czytając prawdziwe wersje, uświadomiłam sobie też, że niektóre baśnie już znałam, ale nie wiedziałam, że spisali je bracia Grimm. Tematyką baśni zajmowałam się już w mojej pracy magisterskiej, dlatego tym więcej radości dało mi odkrywanie czegoś nowego. Na pierwszy ogień pójdzie popularny Aschenputtel, czyli Kopciuszek.

Żeby lepiej zrozumieć, kupiłam sobie następujące książki:




Nie mogłoby się oczywiście obejść bez książek Maxa Lüthiego, który bardzo dużo zajmował się tematyką baśni:



(wszystkie zdjęcia: amazon.de)