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17.2.12

Motivik im Märchen "Klein Zaches genannt Zinnober" von E.T.A. Hoffmann

Wie in vielen Märchen Hoffmanns wird auch im „Klein Zaches“ eine Zweiteilung der Welt vorausgesetzt. Der feindliche Kampf der wunderbaren Mächte ist jedoch fast aufgehoben. Die Untaten des Zinnobers sind eine Folge der Gabe der Fee Rosabelverde, die jedoch es gut mit ihm gemeint hat. Ihre gute Tat hat sich zum Bösen gewendet. Hoffmanns Auffassung nach kann eine gute Absicht negative Auswirkungen hervorrufen. Er zeigt, dass die Menschen sich leicht von anderen blenden lassen, noch mehr dann, wenn sie sich für aufgeklärt halten. Den Text kann man als eine Parabel über die Verführbarkeit des Menschen (NEUHAUS 2005: 159) lesen. Hoffmann löst zugleich das Spannungsverhältnis von Phantasie und Wirklichkeit. Der Dualismus zwischen alltäglicher und phantastischer Ebene wird nicht in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sondern auf der Ebene der Zaubervorgänge aufgehoben (vgl. KINDLERS NEUES LITERATURLEXIKON: 952). Die Grundstruktur des Textes ist dualistisch: der Leser hat es mit Aufklärung und Feenwelt, mit Feudalabsolutismus und Bürgertum, mit Selbstverwirklichung und Selbstverfehlung zu tun. Die Kritik an der bestehenden Staatsform nimmt eine Form der Satire an, während eine positive Alternative als eine Utopie dargestellt wird (vgl. WALTER 1976: 419-420).

„Klein Zaches genannt Zinnober“ ist ein Märchen von der Nutzbarmachung des Wunderbaren oder umgekehrt von der Verzauberung des Nützlichen (VITT-MAUCHER 1984: 197). Geschildert wird die Wirkung des Wunderbaren im Alltag. In der Zeit der Aufklärung muss es sich dem Nützlichen unterwerfen. Der Zauber der Fee will das Gute, schafft jedoch das Böse, das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt hatte (vgl. ebd., 198-199). So ist es ein Zeichen dafür, dass die Vertreter der wunderbaren Welt in der realen, aufgeklärten Welt nicht mehr wesensgemäß handeln (vgl. ebd., 203).

Die Metamorphose wurde zum Gegenstand des Textes. Das irritierende Zwischenwesen, in dem menschliche und tierische Züge vermischt wurden, kann auf sozialkritische Lesart als ein sozial und psychisch Geächteter verstanden werden (vgl. KREMER 1999: 105). Es lässt keine Empathie beim Leser aufkommen. Drei feuerfarbglänzende Haare sind ein Symbol der Verfallenheit an den Teufel (vgl. HILDEBRANDT 1997: 39).

Das Thema des Märchens ist eine problematische Wahrnehmung des Subjekts, eine bedrohte Identität. Klein Zaches hindert Balthasar in seiner Laufbahn als Dichter sowie in seinem Liebesverhältnis zu Candida. Trotzdem will er nicht auswandern wie der Geiger Sbiocca und hat keine Selbstmordabsichten wie der Referendarius Pulcher. Er ist bereit, Zinnober zu entlarven:

...glaube mir Freund Pulcher! – ist irgend ein höllischer Zauber im Spiele, so kommt es nur darauf an, ihm mit festem Sinn entgegenzutreten, der Sieg ist gewiß, wenn nur der Mut vorhanden. – Darum nicht verzagt, kein zu rascher Entschluß. Laß uns vereint dem kleinen Hexenkerl zu Leibe gehen! (S. 51).

Zu Leitthemen des Märchens gehört die Vereinsamung – die Vereinsamung des Kindes, die für Zaches lebenslang dauerte. Für seine eigenen Eltern war er eine Last und sein Leben lang hätte er unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden müssen, wenn die Fee Rosabelverde ihm zu Ruhm und Ehre nicht verholfen hätte. Die „abscheuliche Missgeburt“ muss so ausgelacht werden, als sie demaskiert wird. Zaches‘ Anpassungsverhalten machte ihn zu einer lächerlichen Figur, ja Karikatur (vgl. HILDEBRANDT 1997: 41- 46). Mit dem Motiv der Vereinsamung hängt das Prinzip des Scheins zusammen. Zaches muss mehr scheinen, als er ist, um von anderen akzeptiert zu werden. Die Diskrepanz zwischen innerem Sein und gesellschaftlichem Schein wird aber für die verblendete Gesellschaft erst dann sichtbar, als der Zauber seine Kraft verliert (vgl. WEGLÖHNER 1992: 25). Die Simulationskunst ermöglicht Zaches eine Kompensation des Unterschieds zwischen Sein und Schein, zwischen Fiktion und Realität, zwischen Erscheinung und Wesen, so daß Masken und imaginäre Bilder die Stelle der häßlichen Realität ganz vertreten können, ja diese so simulieren, daß zwischen Fiktion und Wirklichkeit letztlich kein Unterschied mehr besteht (KNAUER 1995: 156). Die Verwandlung zum Schein war eine Gabe der Fee Rosabelverde, die es mit dem Zaches gut meinte und hoffte, dass das schöne Äußere auch in seine Seele hineinstrahlt. Sie mobilisiert ihre magischen Kräfte, um auf den inneren Menschen zu zielen, aber Zaches‘ ursprüngliche natürliche Häßlichkeit und gesellschaftliche Außenseiterposition hindern daran (vgl. ebd., 158).

Eines der Motive des „Klein Zaches“ bildet das Verhältnis zur Natur. Der aufgeklärte Professor Mosch Terpin gibt sich als Herrscher von Natur. Sein Ruhm gründet auf der Entdeckung, daß die Finsternis hauptsächlich von Mangel an Licht herrühre (S. 23). So hatte er die Gesellschaft verblendet und einen hohen gesellschaftlichen Rang erhalten. Die Universitätssatire besteht an der Kritik an profitsüchtiger Wissenschaftsausbeutung (VITT-MAUCHER 1984: 205). Terpins Verhältnis zur Natur kann als absolutistich, experimentell bezeichnet werden – absolutistisch wie das Verhältnis des absolutistischen Staates zu seinen Untertanen. Der Professor will die Narur beherrschen, meistern. Balthasars Verständnis der Natur ist dagegen emotional, individuell: hinter dem Naturverhältnis des Mosch Terpin stehen Unterordnung und Untertanengeist, während hinter dem des Balthasar bürgerlich-liberale und demokratische Züge sichtbar werden (vgl. WALTER 1976: 414).

Im Märchen wird immer wieder die unheimliche, geheimnisvolle, skurrile Macht erwähnt, ein Motiv, das in fast allen Werken Hoffmanns erscheint: Eine unbekannte Gewalt zieht mich jeden Morgen hinein in Mosch Terpins Haus (S. 27), eine innere Stimme flüsterte ihm in dem Augenblick sehr vernehmlich zu (S. 30), irgend ein düstres Geheimnis, irgend ein böser Zauber (S. 45), eine höllische Macht (S. 50), spürst du (...) hier etwas Außerordentliches, Zauberisches? (S. 58). Zu magischen Motiven zählt die Operation, die Prosper Alpanus an Balthasar vollführt. So tritt Candida ins Leben, mit ihr Zinnober, der sich unter Balthasars Schlägen krümmt. Die Öffnung des poetischen Raums (DETERDING 1999: 28) wirkt suggestiv und überaus intensiv. Balthasar will in das gezeigte Bild eindringen, wird aber von Alpanus gewarnt, der folglich das Bild auflöst (vgl. ebd.).

Im „Klein Zaches“ ist ebenfalls das Motiv der Alchemie präsent, das bereits im „Goldenen Topf“ oder im „Sandmann“ eine wichtige Rolle spielte: Zinnober ist der praktische Alchemist, der Dreck in einen Schein von Gold verwandelt (KREMER 1999: 107). Das Fräulein Rosenschön und der Magier Prosper Alpanus sind dem Element Luft zugeordnet, Zinnober jedoch dem Element Erde. Nicht zufällig hat Doktor Alpanus seine geheime Ausbildung ägyptischer Weisheit zu verdanken. Das Wort „Alchemie“ leitet sich wahrscheinlich aus dem Namen Ägyptens, „keme“ – „die Schwarzerdige“, ab. Der magische Kamm der Fee zerbricht ausgerechnet auf einem mit ägyptischer Hieroglyphenschrift versehenen Fußboden (vgl. ebd., 107-108). Im Märchen ist ebenfalls das Motiv des Feuers von Bedeutung – es ist eines der vier Elemente. Die feurigen Haare bekommen die Aufgabe, Zaches zu veredeln. Es wirft sich der Gedanke auf, ob er nicht das Temperament des Cholerikers darstellt, im Unterschied zur Melancholie Balthasars (vgl. VITT-MAUCHER 1984: 200).

Primärliteratur:

HOFFMANN, E.T.A. (1819): Klein Zaches genannt Zinnober. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2008.

Sekundärliteratur:

DETERDING, Klaus (1999): Magie des Poetischen Raums. E.T.A. Hoffmanns Dichtung und Weltbild. In: Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. Dritte Folge. Band 152. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter.

HILDEBRANDT, Alexandra (1997): „Bösartiger als der Herdenschlaf ist das Gelächter…“ E.T.A. Hoffmanns Märchen Klein Zaches genannt Zinnober und seine Titelgestalt. In: Steinecke, Hartmut / Loquai, Franz / Scher, Steven Paul (Hrsg.): E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch. Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Band 5. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 37-46.

JENS, Walter (Hrsg.): Kindlers neues Literaturlexikon. München 1996: Kindler, 951-952.

KNAUER, Bettina (1995): Die Kunst des als ob: E.T.A. Hoffmanns Märchen von Klein Zaches genannt Zinnober. In: Koopmann, Helmut / Neumann, Peter Horst / Pikulik, Lothar / Riemen, Alfred (Hrsg.): Aurora. Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft für die klassisch-romantische Zeit. Band 55. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag, 151-167.

KREMER, Detlef (1999): E.T.A. Hoffmann. Erzählungen und Romane. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

NEUHAUS, Stefan (2005): Märchen. Tübingen / Basel: A. Francke Verlag.

VITT-MAUCHER, Gisela (1984): E.T.A. Hoffmanns „Klein Zaches genannt Zinnober“: gebrochene Märchenwelt. In: Frühwald, Wolfgang / Heiduk, Franz / Koopmann, Helmut / Neumann, Peter Horst (Hrsg.): Aurora. Jahrbuch der Eichendorff Gesellschaft. Band 44. Würzburg: Eichendorff-Gesellschaft, 196-212.

WALTER, Jürgen (1976): E.T.A. Hoffmanns Märchen „Klein Zaches genannt Zinnober“. Versuch einer sozialgeschichtlichen Interpretation. In: Prang, Helmut (Hrsg.): Wege der Forschung. Band CDLXXXVI. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 398-423.

WEGLÖHNER, Hans Werner (1992): Die gesellschaftlichen und politischen Aspekte in E.T.A. Hoffmanns Märchen „Klein Zaches genannt Zinnober“. In: Der Deutschunterricht 44. Velber: Friedrich Verlag, 21-32.

2 komentarze:

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