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14.1.12

Wer ist Schnitzlers Anatol?

Anatol ist ein sehr junger Mann. Er ist sich dessen bewusst, dass er ein attraktiver Mensch ist. Die Frauen sind für ihn so lange anziehend, reizvoll, interessant, bis er sie besessen hat. Dann verlieren sie den Wert. Der Kampf um die Partnerin ist für Anatol wichtiger, nachher ist sie für ihn nur ein Stück Fleisch. Die Frau gewinnt an Wert, weil sie mit ihm geschlafen hat, weil sie in seinen Armen gelegen hat. Anatol hält sich für eine Art Gott. Er ist Egoist, eitel, eingebildet. Er engagiert sich innerlich nicht. Eine Frau ist ihm wichtig nur für eine kurze Zeit. Abenteuer, Spiele – sie zählen für ihn. Anatol bewirbt sich um eine Frau, dann verliert sie an Attraktivität. Die Frauen verlieben sich, er aber nicht. Er verspricht keine ewige Treue, keine Liebe. Er nimmt Beziehungen nicht ernst. Anatol scheint nicht fähig zu sein, richtig zu lieben. Vielleicht hat er nie wirklich geliebt und weiß nicht, was wahre Liebe ist.

Schnitzlers Protagonist lebt seine Triebe aus, ohne Rücksicht auf die Moral, auf Regeln, auf Gesetze zu nehmen. Er erkennt an, dass eine Frau auch Schluss machen kann. Es ist jedoch ein Riss an seinem Stolz, eine Ohrfeige. Jede Beziehung endet gleich – er verlässt oder wird von einer Frau verlassen.

Er hat kein Ziel, lebt vor sich hin, kümmert sich nur um den heutigen Tag, will nur Spaß haben. Er ist unentschlossen, mit dem Leben unzufrieden. Seine Welt ist die Welt der ästhetischen Stimmungen. Mal ist er fröhlich, mal nachdenklich. Er genießt das Leben, umgeht die offiziell geltende Moral. Er verführt auch verheiratete Frauen.

Anatol ist angeblich reich, um bequem, genussvoll leben zu können, ohne zu arbeiten. Er führt ein unbekümmertes, fröhliches Leben. Er hat keinen Beruf, hat eine allgemeine Ausbildung. Er musste keinen Beruf erlernen, weil er wahrscheinlich aus adeligen Kreisen oder aus einer wohlhabenden Familie stammt. Er kann sich der Existenz widmen, die er sich wünscht. Er lebt nach eigenen Regeln.

Es ist ein geschlossener Charakter, Anatol entwickelt sich nicht, bleibt so, wie er war. Er bleibt in seiner eigenen Welt, lebt auf der Fläche, er lernt gar nichts. Das ganze Leben ist für ihn ein Spiel. Er meint, dass alle Menschen nur Schauspieler sind. Sie sind verlogen, innerlich unbefriedigt, sie betrügen und finden kein Ziel. Anatol ist der Meinung, dass der Mensch nie an das Ziel seiner Wünsche gelangen kann.

Anatol ist leichtsinniger Melancholiker, Hypochonder der Liebe, denn an dieser Lebensweise gibt es etwas Krankhaftes. Er ist ein Mensch der Dekadenz – er hat Sinn für Vergänglichkeit, Flüchtigkeit, keinen Zusammenhang im Leben. Das Leben besteht für ihn nur aus Episoden, es ist ein Zusammenspiel von schönen Augenblicken. Man kann ihn auch als einen impressionistischen Menschen bezeichnen. Seine Welt ist in ständiger Wandlung von Stimmungen, Gefühlen, Anschauungen. Alles in seinem Leben verändert sich, aber er bleibt konstant.

Er ist zerrissen, unentschlossen. Manchmal bezeichnet man ihn als einen Antihelden, als einen Halbehelden, weil seine Persönlichkeit so zwiespältig ist.

Anatol hat Angst vor der Wahrheit, will keine Wahrheit wissen (es ist ein moderner Zug – man will die Wahrheit nicht erfahren. Man sagt, dass der Mensch die volle Wahrheit nicht ertragen kann). Er lebt gerne in Illusionen. Schon Nietzsche stellte fest, dass die Wahrheit schädlich ist und dass man sie verschweigen sollte.
Im Spiel gibt es keine zusammenhängende Handlung. Es gibt lose verbundene Episoden, die genauso wechseln wie das Leben von Anatol. Die Episoden wiederholen sich. Anatols Leben ist ein Spiel von Sein und Schein.

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