Diesen Beitrag widme ich E.T.A. Hoffmann. Es ist einer meiner Lieblingsschriftsteller. Schon immer hat mich das fasziniert, wie perfekt er alle Ideale, alle Aspekte der Romantik in sein Werk einbeziehen konnte. Ich beschreibe sein Leben sowie seine Bedeutung für die deutsche und für die europäische Romantik.
E.T.A. Hoffmann (1776-1822)
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg als dritter Sohn des Hofgerichtsadvokaten Christoph Ludwig Hoffmann und seiner Frau Luise Albertine Doerffer geboren. Eigentlich hieß er Ernst Theodor Wilhelm, aber aus Verehrung für Wolfgang Amadeus Mozart ersetzte er seinen dritten Vornamen Wilhelm durch Amadeus. Seine Eltern entstammten einer alten preußischen Juristen- und Pfarrerfamilie. Die Jugend verbrachte er im Hause seiner Großmutter mütterlicherseits. Dorthin begab sich seine Mutter, nachdem sie sich 1778 von ihrem Gatten getrennt hatte. Es muss kursorisch angedeutet werden, dass sein Vater trunksüchtig und seine Mutter Psychopathin waren. Das Kind war auf sich selbst angewiesen, weil sein Verhältnis zur Familie gleichgültig war. Es war kein ideales Milieu für die Psyche eines kleinen Kindes. Eine kritische, ablehnende Haltung hatte er gegenüber der verknöcherten preußischen Gesellschaft sein Leben lang gepflegt. Er fühlte sich abgestoßen, hatte kein Verständnis für oberflächliche zwischenmenschliche Beziehungen, für nach erstarrten Konventionen handelnde Personen (vgl. HELMKE 1975: 7-9).
1792 nahm Hoffmann das Jurastudium an der Königsberger Universität auf, obwohl er eine Abneigung gegen Rechtswissenschaften hegte. Trotzdem bestand er alle Prüfungen mit Bravour. Die entscheidende Prüfung zum Assessor absolvierte er im Jahre 1800. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Musikunterricht. Diese Zeit blieb nicht ohne Bedeutung für seine weitere Entwicklung, zumal die bürgerlichen Kreise mit den geistigen Strömungen Westeuropas in unmittelbarer Verbindung standen. Sein Beruf führte ihn nach Glogau (1796/98, wo er sich mit seiner Cousine Minna Doerffer verlobte), Berlin (1798/1800), Posen (1800/02), Płock (1802/04) und nach Warschau (1804/07). Hier lernte er Julius Eduard Hitzig kennen, der ihn auf die Romantik aufmerksam gemacht hat und später sein erster Biograph und Verwalter seines Nachlasses wurde. Überall war Hoffmann sich dessen bewusst, dass er nur in einer künstlerischen Tätigkeit seine Bestimmung finden kann. Es muss jedoch erwähnt werden, dass die Dichtung in seinen Plänen eine untergeordnete Rolle spielte – vielmehr suchte er sich als Musiker oder Maler schöpferisch zu verwirklichen. Er wollte sich als Schriftsteller nicht versuchen. Im Juli 1802 heiratete er nicht Minna Doerffer (von deren er sich früher getrennt hatte), sondern ein polnisches Mädchen, Maria Thekla Michalina Rohrer-Trzinska, Tochter eines Stadtschreibers, die zwar nicht ausgebildet war, aber sein häusliches Leben teilen konnte (vgl. ebd., 21-22).
Der Umzug aus Płock, einem Landstädtchen ohne Theater, nach Warschau, einer Residenzstadt der polnischen Könige, gelang Hoffmann dank seinem Freund Theodor von Hippel, der inzwischen zum Adligen wurde und über gute Beziehungen zu den Berliner Zentralbehörden verfügte. In Warschau bildete sich Hoffmann immer mehr zum Komponisten aus. Hier verfasste er zahlreiche Werke der Vokal- und Instrumentalmusik sowie Kompositionen zu Singspielen und Bühnenmusik . Wie bereits erwähnt, schloss Hoffmann in Warschau eine Freundschaft mit Julius Eduard Hitzig, dem literarisch und musikalisch gebildeten Juden. Ende 1806 besetzten französische Truppen Warschau und alle preußischen Beamten verloren ihre Arbeit. Auf diese Weise wurde Hoffmann stellungslos, begann aber für seine Entwicklung als Dichter eine bedeutungsvolle Lebensphase, als er am 1. September 1808 seine neue Stelle als Kapellmeister in Bamberg antritt. Nach dem Misserfolg als Dirigent wurde er als Theaterkomponist verpflichtet, dabei war er ebenfalls als Kunst- und Theatermaler tätig. Weil die Bezahlung niedrig war und zum Lebensunterhalt nicht ausreichte (er litt oft Hunger), musste Hoffmann wieder als Musiklehrer dazuverdienen. Dabei verliebte er sich in seine Schülerin Julia Mark, aber das Gefühl, durch das er Selbstmordgedanken hatte, blieb unerwidert. Inzwischen begann eine neue Ära in Hoffmanns Schaffen - er verfasste sein erstes schriftstellerisches Meisterwerk, die Erzählung „Ritter Gluck“, welche er an Friedrich Rochlitz sandte, den Redakteur einer „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“, der Hoffmann mit einigen Rezensionen der Tonkunst für seine Zeitung beauftragte. Er rezensierte u.a. Beethovens Sinfonien. Am 15. Februar 1809 erschien Hoffmanns Erstlingswerk in der renommierten Zeitschrift und er selbst notierte in seinem Tagebuch: Meine literarische Karriere scheint beginnen zu wollen (vgl. ebd., 23-24, 43-46).
Im Herbst 1810 übernahm Franz Holbein die Leitung des Theaters. Mit Holbein als Direktor und Hoffmann als Direktionsgehilfe, Dramaturg, Bühnenmaler, Bühnenarchitekt, Komponist und Maschinenmeister wurde das Bamberger Theater mit Aufführungen von Shakespeare, Lessing, Schiller oder Goethe zu einer der erfolgreichsten, zu einer der wenigen avantgardistischen Bühnen in Deutschland. Bald ging Holbein an das Theater in Würzburg und die produktive Zusammenarbeit ging zu Ende. Hoffmanns Bamberger Zeit dauerte bis zum April des Jahres 1813. Rückschauend bezeichnet er die Bamberger Jahre als acherontische Finsternis, obwohl sie sich als äußerst bedeutungsvoll für seine literarische Laufbahn erwiesen:
Vor allem entwickelte er in Bamberg die Fähigkeit, schöpferisch schreibend und treffend zu charakterisieren, das zu Erzählende überaus plastisch darzustellen, damit zu faszinieren, zu begeistern. (…) Der Aufenthalt, das Darben, Genießen und Schaffen in Bamberg waren quasi die Inkubationszeit für das Genie Hoffmann (ebd., 70).
Danach kam Hoffmann über Dresden und Leipzig (wo er als Kapellmeister bei der Truppe von Joseph Seconda tätig war) für immer in Berlin an und kehrte in den bürgerlichen Beruf zurück, indem er am 1. Oktober 1814 sein Amt als Richter am Kammergericht antrat. Seitdem führt er eine hektische Doppelexistenz als Jurist und freischaffender Künstler. Spätestens 1814 wird er zum Modeschriftsteller, zum beliebten Autor. Am 3. August 1816 fand in Berlin eine erfolgreiche Uraufführung der Oper „Undine“, nach einer Erzählung Fouqués, statt. Als maßgeblich beeinflussend für seine persönliche Entwicklung erwies sich das Jahr 1819, das Jahr der Karlsbader Beschlüsse, weil Hoffmann zum Mitglied der Immediat-Untersuchungs-Kommission ernannt wurde und in einen Konflikt mit der preußischen Regierung geriet (ebd., 47-48, 73-80, 135).
In Hoffmanns vier letzten Lebensjahren entstanden seine besten Werke, u.a. „Seltsame Leiden eines Theaterdirektors“ (1818), „Klein Zaches genannt Zinnober“ (1819), „Meister Floh“ (1822), „Kater Murr“ (1821/22). Hoffmann war ein nervöser Mensch, trank Alkohol übermäßig und letztendlich litt er an einer Erkrankung des zentralen Nervensystems, was am 25. Juni 1822 zu seinem Tode führte.
E.T.A. Hoffmann gilt als der bedeutendste Erzähler der europäischen Romantik. Auf seine Größe als Schriftsteller hatten viele Faktoren einen Einfluss ausgeübt. Jedenfalls ist es bemerkenswert, dass Hoffmann sich selbst lange als keinen Schriftsteller betrachtete. Vielmehr wollte er sich als Komponist zeigen, zumal er über ausreichende Kenntnisse verfügte. Lange spielte die Dichtung keine bedeutende Rolle in seinem Leben. Als Komponist erwies er sich als äußerst konventionell, während er ausgerechnet als Schriftsteller eine Größe erreichte.
Schon von klein auf beobachtete er in der preußischen Gesellschaft vielseitige Aspekte der sozialen Heuchelei, Beschränktheit und Verlogenheit, die er dann in seinen Werken einer scharfen Kritik unterzog. Als Kind richtete er seine Aversion gegen den Onkel, Otto Wilhelm Doerffer, der ein Vertreter des verknöcherten preußischen Beamtentums war. Hoffmann selbst war ein sensibler Mensch und seine kritische Haltung gegenüber der preußischen Gesellschaft kann als eine Reaktion auf steife, konservative Konventionen interpretiert werden. Während seines Studiums traf er auf andere Denkweisen, die ihn vielseitig inspiriert haben, z.B. die vom Hochschullehrer Christian Jakob Kraus, der die Leibeigenschaft, die Erbuntertänigkeit und den Zunftzwang verwarf. Aus oben erwähnten Gründen gibt er sich in seinen Werken als ein Kritiker der erstarrten preußischen Gesellschaft, die er als veränderungsunfähig beschreibt. Hoffmann selbst war aus finanziellen Gründen ein Vertreter des preußischen Apparats und hatte keinen Mut, sich rückhaltlos über alle Konventionen hinwegzusetzen. Erst in Bamberg konnte der Beamte zum Künstler werden. Schon früher komponierte Hoffmann musikalische Werke. Musik war für ihn eine Art Trost. Wie angedeutet, bereits in seiner ersten Erzählung „Ritter Gluck“ zeigte er sich als vorzüglicher Schriftsteller, der dann ein überragendes dichterisches Werk hinterließ. Die schriftstellerische Produktion setzt in Bamberg ein, was es mit dem sozialen Element zu tun hat. Der unglückliche Ausgang seiner Liebe für Julia Mark bestärkte ihn in der Überzeugung, dass seine soziale Stellung von den Mitgliedern der Bamberger Gesellschaft als zu niedrig eingeschätzt wurde. Die Dichtung, die Kunst des Wortes, war für ihn ein Ausweg aus seinen innerlichen beunruhigenden Stimmungen. So entstand die Gestalt Johannes Kreislers, sein poetisches Ebenbild. Es ist ein Kapellmeister, der viele Züge seines Verfassers trägt, ihn aber künstlerisch übersteigert. Der verrückte Musiker bringt in „Kreisleriana“ Hoffmanns Gedanken über die Musik zum Ausdruck.
Im zweiten Teil der „Phantasiestücke in Callots Manier“ (1814/15), in der Erzählung „Der Magnetiseur“, erscheinen Hoffmanns mystische Neigungen, die sein Werk durchziehen. In den Vordergrund tritt das Einwirken dunkler, psychischer Kräfte auf das menschliche Leben. Der Roman „Die Elixiere des Teufels“ (1816) und die „Nachtstücke“ sind ebenfalls von fatalistischen Motiven erfüllt. Hoffmann zeigt geschickt die Nachtseiten der menschlichen Natur, zumal er selbst hochgradig nervös war und folglich an einer Erkrankung des Nervensystems starb. Dementsprechend galt sein Interesse den Geheimnissen der Seele, extremen psychischen Begebenheiten wie z.B. dem Wahnsinn. Dunkle Motive tauchen in den Erzählungen „Das Fräulein von Scuderi“, „Meister Martin, dem Küfner, und seinen Gesellen“ auf. Besonders tief beeinflusst ihn die Lehre des französischen Arztes Mesmer. Mesmer wurde von vielen romantischen Zeitgenossen als Entdecker einer neuen Wissenschaft vom Menschen gefeiert, von anderen wurde er als ein Scharlatan geschmäht. Der polnische Germanist Z. Światłowski behauptet Folgendes: Mesmer glaubte im Magnetismus, in der magnetischen Einwirkung des Arztes auf den Patienten ein universelles Heilmittel gefunden zu haben. Die romantischen Geister in Polen, Frankreich und auch in Deutschland sahen im Magnetismus noch mehr, und zwar ein Instrument, mit dem man die verborgenen Schichten der Psyche, die geheimen, unbewussten Wünsche, Träume, Ängste, Faszinationen erforschen kann. Bei Hoffmann gewann der Magnetismus eine zusätzliche Bedeutung. Er bedeutet die schlimme Macht, die der Mensch über den Geist eines anderen gewinnen kann, um diesen unmündig zu machen und für eigene Zwecke zu missbrauchen (Diese Informationen wurden dem unveröffentlichten Vortrag von Prof. Dr. Z. Światłowski vom 24.04.2007 entnommen. Der Vortrag wurde an der Universität Rzeszów/Polen gehalten).
Nach der Bamberger Zeit, in den Jahren seiner epischen Meisterschaft, mischen sich weiterhin in Hoffmanns Texte mystisch-pessimistische Neigungen hinein. Beispiele dafür sind das Kunstmärchen „Klein Zaches genannt Zinnober“, der Roman „Die Lebensansichten des Katers Murr“, die Novelle „Das Gelübde“ und die Erzählung „Des Vetters Eckfenster“.
In seinen phantastischen Geschichten zeigte E.T.A. Hoffmann die zeitgenössische Großstadt so eindringlich wie kein anderer Romantiker und drückte seinen Protest des Dichters und des Künstlers gegen die beklemmende Enge der philiströsen Wirklichkeit aus. Paradox ist eine gute Kenntnis des bürokratischen Apparats seinen Werken zugute gekommen, in welchen er groteske unterwürfige, tollpatschige Beamten porträtiert. Hoffmann war der vielseitigste Romantiker, eine Vielfachbegabung, ein großer Darsteller des Berliner Volkslebens, ein Dichter, der meisterhaft Pathos mit Ironie verband und alle Spielarten der Erzählkunst ausschöpfte, ein Zauberer romantischer Märchen, ein Mitschöpfer der deutschen romantischen Oper, ein geistvoller Spötter, der satirisch ein abscheuliches Bild des Großbürgertums konstruierte, der in sein dualistisches Weltbild eine Reaktion auf das Tun der preußischen Regierung einflechten konnte und in seiner Gestaltung des Wirklichen das Überwirkliche mustergültig einschloss. Sein Rang als Autor ist darüber hinaus unbestritten.
Sein Schaffen kann als ein Gesamtkunstwerk bezeichnet werden – er bewährte sich als Dichter, als Komponist, als Maler, als Zeichner, als Essayist, als Kritiker, als Jurist. Bild, Musikstück und literarischer Text sind bei Hoffmann verschiedene Erscheinungsformen eines gleichen Kunstwollens (STEINECKE 1997: 55). Er war ein Universalkünstler, der das romantische Programm wie kein anderer erfüllte. Als Schriftsteller konzentrierte er sich auf Prosa und verfasste Romane, Erzählungen, Novellen, Märchen, daneben journalistische und feuilletonistische Formen wie Essay, Rezension, Abhandlung, Anekdote, Brief, Theaterkritik (vgl. ebd., 57). Als Komponist besaß er eine sowohl praktische, als auch theoretische musikalische Ausbildung und schuf ein umfangreiches Werk, das 30 Bühnenwerke und über 50 Instrumental- und Vokalwerke umfasst (vgl. ebd., 194). Als Maler und Zeichner war er eingehend ein Autodiktat, weil er als Kind zwar Malunterricht erhielt, aber nicht von einem bildenden Künstler (vgl. ebd., 201). Mit der Zeit trat die Malerei hinter die Musik und später hinter die Literatur zurück. Hoffmann erkannte, dass er zwar eine gewisse malerische Begabung besitzt, die aber nicht ausreichend ist, um sich mit den größten Künstlern zu messen. Auch in der Psychologie kannte er sich vortrefflich aus. Im Jahre 1903 veröffentlichte der Arzt Otto Klinke eine Untersuchung, in dem er Hoffmann als einen hervorragenden Psychologen bezeichnet und sein Werk eine Quelle für den Stand der Psychologie am Anfang des 19. Jahrhunderts nennt.
Hoffmanns Erfolg im nichtdeutschsprachigen Raum war größer als in seiner Heimat: J.W. von Goethe, J. von Eichendorff, Jean Paul oder Wilhelm Grimm schätzten ihn gering. Einflüsse seiner Dichtkunst kommen im Schaffen von Victor Hugo, Charles Baudelaire, Guy de Maupassant, Alexander Puschkin und Fjodor Dostojewski, aber auch bei Edgar Allan Poe zum Ausdruck.
Źródła / Quellen:
HELMKE, Ulrich (1975): E.T.A. Hoffmann. Lebensbericht mit Bildern und Dokumenten. Kassel: Georg Wenderoth Verlag.
STEINECKE, Hartmut (1997): E.T.A. Hoffmann. Stuttgart: Reclam.
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