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4.10.11

Thesen und Argumente zur alltäglichen Wissenschaftssprache

1. Die deutsche Wissenschaftssprache ist in eine Krise geraten.

Die deutsche Wissenschaftssprache wird zunehmend durch die englische Wissenschaftssprache ersetzt. Die Einführung englischsprachiger Studiengänge an den Universitäten hat dazu beigetragen.

2. Für die alltägliche Wissenschaftssprache sind die Ausdrücke typisch, die in ganz alltäglichen Verwendungen vorkommen, aber zugleich in spezifischen fachlichen Kontexten.

Sie sind typisch für wissenschaftliche Texte, ohne fachspezifisch zu sein.

3. Die alltägliche Wissenschaftssprache ist zugänglicher für die Muttersprachler als für die Fremd- und Zweitsprachenlerner.

Die Wissenschaftssprache muss auch an die Muttersprachler vermittelt werden, aber es besteht eine groβe Durchlässigkeit – Ressourcen der Alltagssprache werden in eine neue Form gebracht. Die Fremd- und Zweitsprachenlerner kommen oft in beruflichen Situationen nicht mit, obwohl sie im Alltag ohne Probleme kommunizieren.

4. Die DSH-Teilnehmer haben massive Probleme beim Verstehen und Bearbeiten von wissenschaftssprachlichen Strukturen.

Es sind Probleme mit der korrekten Wiedergabe von Sätzen, mit alltäglichen Ausdrücken, die den Muttersprachlern keine Probleme bereiten. Auβerdem gibt es Schwierigkeiten, den Sinn wissenschaftlicher Ausdrücke zu rekonstruieren oder den Kontext zu verstehen, in dem das Wort gebraucht wird.

5. Die wissenschaftliche Textkompetenz muss erworben werden.

Es gibt zwei Modellierungsstrategien, sich mit den „fremden“ Ausdrucksformen vertraut zu machen: es geht um Habitusanpassung und problemlösendes Handeln.

6. Die Entwicklung wissenschaftlicher Schreibfähigkeiten kann in vier Phasen geteilt werden:

1) Imitation: Versuch, den sprachlichen „Ton“ der Fachtexte zu imitieren
Transposition: Studenten orientieren sich an alltagssprachlichen Mitteln und überführen sie in die neue Domäne

2) Transformation: der bewusste Aufbau des wissenschaftlichen Ausdrucksspektrums. Alltagssprachliche Mittel werden langsam durch fachliche Mittel ersetzt

3) Erkennen der Spezifik: eine starke Erweiterung wissenschaftssprachlicher Formen und eine Abnahme alltagssprachlicher Mittel. Das domänentypische Ausdrucksspektrum wird ausgebaut

4) Kontextuelle Anpassung: der Lerner nähert sich dem Niveau von Experten an. Die wissenschaftssprachlichen Ausdrücke werden gemäβ eingesetzt, sind funktional adäquat und schlieβen an die in der Wissenschaftskommunikation gebräuchliche Verwendungstypik an.

7. Im Bereich der alltäglichen Wissenschaftssprache ist noch viel zu tun.

Es geht z.B. um die präzisere Erfassung des Profils der alltäglichen Wissenschaftssprache und seine Beschreibung oder eine systematische Analyse über den Studienerfolg von DSH-AbsolventInnen (eine übergreifende Forschungsaufgabe).


Verwendete Literatur:

DREWER, Petra: Wissensvermittlung mit Hilfe kognitiver Metaphern (2007). In: Villiger, Claudia; Gerzymisch-Arbogast, Heidrun (Hrsg.): Kommunikation in Bewegung. Multimedialer und multilingualer Wissenstransfer in der Experten-Laien-Kommunikation. Festschrift für Annely Rothkegel zum 65. Geburtstag. Frankfurt/M.: Lang 2007.

EHLICH, Konrad: Alltägliche Wissenschaftssprache. In: Info DaF 26 / 1999, 3-24.

GRAEFEN, Gabriele: Wissenschaftssprache - ein Thema für den Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht? In: Wolff, Armin/Schleyer, Walter (Hrsg): Fach- und Sprachunterricht: Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Regensburg 1997, 31-44 (Materialien Deutsch als Fremdsprache 43).

STEINHOFF, Torsten: Wie entwickelt sich die wissenschaftliche Textkompetenz?
In: Der Deutschunterricht 2003, 3, 38-47.

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