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3.4.12

Die phantastische Welt von E.T.A. Hoffmann und J.R.R. Tolkien. Teil 1

Die Entstehungsgeschichte des Märchens „Der goldene Topf

Es gab viele Faktoren, die E.T.A. Hoffmann bei seiner Arbeit beeinflusst haben: einerseits war es sein Wunsch, sich der Realität zu entziehen, andererseits war es seine Faszination von der Phantasie Jacques Callots und von der Psychiatrie, aber auch die Lektüre von Wagensteil und Voltaire.

Jacques Callot (1592 – 1635), auf den sich Hoffmann in seinem literarischen Erstling beruft, war ein französischer Zeichner und Kupferstecher. „Hoffmann bewunderte die überströmende Phantasie Callots, die einen nahezu unerschöpflichen Reichtum von Gestalten und Einzelzügen schuf, so daβ es dem Betrachter schwerfällt, die ganze Vielfalt des Gestaltens zu entdecken und aufzunehmen”, macht Prof. Dr. Kurt Böttcher deutlich (1977, S. 453 – 454). Weiterhin beeindruckten Hoffmann auch die überreiche Einbildungskraft und die romantische Originalität, schlieβlich wies er auf die charakteristische Ironie hin, die Callots Werken einen tieferen Sinn verleihen. Deswegen ist die in „Phantasiestücken” geschilderte Wirklichkeit auf eine überwirklich-phantastische Welt bezogen. Aus dieser Faszination entstand die Idee, ein Märchen zu schreiben.

Am 19. August 1813 schrieb Hoffmann also an seinen Verleger Kunz über seine Absicht, zu den „Phantasiestücken” ein Märchen hinzufügen: „Mich beschäftigt die Fortsetzung der Phantasiestüke in Callots Manier ungemein, vorzüglich ein Märchen, das beinahe einen Band einnehmen wird. (…) Sie bemerken, Freund! daβ Gozzi und Faffner spuken! auch werden sie bei Lesung des Ganzen wahrnehmen, daβ eine frühere in Bamberg gefaβte Idee, die durch Ihre sehr richtigen Bemerkungen und Einwürfe nur nich zur gänzlichen Ausführung kam, die Grundlage des Märchens bildet.” Diese „in Bamberg gefaβte Idee” war eine Idee aus dem Buch „Menschliches Elend“ von James Beresfords (1764 – 1840). Es handelte sich um eine angeregte Beschreibung eines Menschen, der stets Pech hat, also eines Pechvogels. Hoffmann gab jedoch dieser Idee einen tieferen Sinn: „Der Ungeschicklichkeit des Märchenhelden Anselmus entspricht ein lebendiger Sinn für die höhere, überwirkliche Welt; ja es ist geradezu diese romantische Veranlagung, die ihn für das banale Alltagsleben untauglich macht” (Böttcher 1977, S. 456). Gleich kann man den goldenen Topf deuten: es ist angeblich ein übliches Ding, aber in Wirklichkeit ein magisches Symbol.

Die Reihenfolge der Ereignisse im Märchen und schlieβlich der Sieg des Guten scheinen darauf hinzuweisen, dass E.T.A. Hoffmann ein ruhiger, hoffnungsvoller, optimistischer Dichter war. Aber das war nicht der Fall, denn Hoffmann war damals voller seelischer Widersprüche, seine Zukunft war ungewiss. Deswegen wollte er in ein „wunderbares Reich” der Träume flüchten, das romantische Prinzip realisieren: eine „unendliche Sehnsucht” zum Ausdruck bringen. Ihm ging es darum, die Realität zu verfremden, „das Bekannteste fremd, das Fremdeste bekannt” (Böttcher 1977, S. 456) und eben deshalb wesenhaft zu zeigen. In diesem Märchen verbarg Hoffmann seine Angst vor der Wirklichkeit. Seine innersten Gefühle waren also die Inspiration für sein bekanntestes Werk, das am 15. Februar 1814 abgeschlossen wurde. „Der goldene Topf” wurde 1814 im dritten Band der „Phantasiestücke” veröffentlicht. In der zweiten Auflage der „Phantasiestücke” von 1819 wurde es überschrieben: „Der goldene Topf. Ein Märchen aus der neuen Zeit".

Quelle:

Unter Leitung des Prof. Dr. Kurt Böttcher herausgegeben: “Romantik. Erläuterungen zur deutschen Literatur”, 3. Auflage, Berlin, Volkseigener Verlag Volk und Wissen 1977.

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