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5.8.12

"Der Process": Josef K. - durch das System umzingelt

Josef K. ist Prokurist einer Bank. Sein Vater ist gestorben, seine Mutter taucht nur in einem Fragment auf.

K. ist eine universale Gestalt, Repräsentant vieler Menschen, die etwas Ähnliches treffen könnte, Verkörperung eines durchschnittlichen, gewöhnlichen Menschen. Er ist 30 Jahre alt, ehrlich, gewissenhaft, arbeitsam. Er vertraut auf das Recht, auf die Gesetze. Deswegen begreift er es nicht, warum er verhaftet wird. Er ist beherrscht, ruhig. Allmählich unterliegt er jedoch dem psychischen Druck, wird misstrauisch, aus dem Gleichgewicht gebracht. Am Anfang wirkt er aktiv, sammelt Informationen, nutzt Kontakte, verzichtet auf den Anwalt. Dann wird er sich dessen bewusst, dass seine Handlungen keinen Sinn haben, weil er mit einer auf Lügen gestützten, keine Regeln habenden Organisation zu tun hat. Der Prozess dauert ein Jahr – Josef K. weiß nicht, wessen er verdächtigt wird, wer über ihn Gericht halten wird, nach welchen Gesetzen, wann der Prozess beendet werden kann oder welche Strafe ihm droht. Er lebt im Zustand der Desorientierung, der Dominanz des Gerichts. Er findet keine Schuld, die man ihm zuschreiben könnte, die genug bedeutend wäre, dass das Gericht sich damit beschäftigt. Er kann sein Schicksal nicht beeinflussen, weil er von höheren, geheimnisvollen, rätselhaften Faktoren abhängt. K. verliert das Sicherheitsgefühl, fühlt sich manipuliert, verfolgt, durch das System umzingelt.

Das Gericht ist eine rücksichtslose Institution. Es hat seine Regeln, die für die Personen außer diesem Kreis nicht zu begreifen sind und nichts mit der Gerechtigkeit zu tun haben. Der Mensch verliert das Sicherheitsgefühl und die Würde. K. weiß nicht, wessen er verdächtigt wird und deswegen kann er sich nicht verteidigen. Scheinbar ist er frei, aber in Wirklichkeit befindet er sich in der Macht einer fremden, unbekannten, schrecklichen Institution. Die Beamten sind rücksichtslos, entschieden, begehen Rechtsmissbrauch.

An einem Sonntag findet das Verhör statt. Josef K. kann in den richtigen Saal nicht gelangen, er kennt die Zeit des Verhörs nicht. Es ist eine Gelegenheit dazu, ihn zu tadeln. Das Publikum besteht aus den Mitarbeitern des Gerichts. Sie wollen das Vertrauen des Angeklagten wecken, ihn zur Offenheit bringen. Als K. zu verstehen beginnt, wer diese Menschen sind, fühlt er sich immer mehr dominiert und erdrückt. Der Untersuchungsrichter weiß nicht genau, wer K. ist. Die Anwälte denken nur an Geld. Es liegt nicht in ihrem Interesse, den Prozess schnell zu beenden. Sie engagieren sich nicht genügend in die Verteidigung ihrer Kunden, verzögern den Prozess. Sie haben das Überlegenheitsgefühl, weil die einfachen Menschen das Gesetz nicht kennen. Die Anwälte dürfen an Verhören nicht teilnehmen. Über Sachen, die sie interessieren, über Eindrücke der Richter erfahren sie während inoffizieller Gespräche im juristischen Milieu. K.s Verteidigungsversuch, seine Rede haben im Grunde genommen keinen Sinn, denn „vor diesem Gericht kann man sich nicht verteidigen“.

Der Angeklagte hat keine Rechte, er kann mit dem System nicht gewinnen, das einem Netz geheimer Verbindungen ähnelt. Das Individuum ist im Voraus zum Scheitern verurteilt. Es kann sich den rücksichtslosen, korrumpierten, unmoralischen Beamten nicht widersetzen. Josef K. hat kein Recht auf Verteidigung. Die Verhaftung erweckt Unruhe, das Verhör am Sonntag ist untypisch für eine Institution. Außerdem wird K. plötzlich vor Gericht geladen (auch in der Nacht).

Die Gerichtsakten werden gestohlen, die Prozesse sind geheim, die Verfahren sind kompliziert. Das Gericht nimmt gerne solche Argumente an, die einen inoffiziellen Charakter haben – man sollte sich also um entsprechende Bekanntschaften bemühen, großzügig die Anwälte bezahlen und demütig sein. Die einzige Art und Weise der Verteidigung sind Ausweichmanöver, Kombinieren, Verzögerung. Das Gericht gibt keine Erklärungen an, behandelt Interessenten wie dumme Wesen, die nichts verstehen oder nichts wissen sollten. Das dient der Dominanz. Man sagt den Angeklagten, dass sie ausnahmsweise mild und gut behandelt werden – sie sollten also dankbar sein (Drohung, dass es noch schlechter werden kann). Die Verhafteten haben eine scheinbare Freiheit – sie können arbeiten, sich mit Bekannten treffen, aber in Wirklichkeit sind sie eingeschüchtert, psychisch abgeschwächt. Sie denken nur an den Prozess und sind nicht fähig dazu, berufliche Pflichten zu erfüllen und normales Privatleben zu führen. Sie können in der Gesellschaft nicht normal funktionieren.

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